Fehltritt Im Siebengebirge

Klatte? Diesen Fragen können wir nachgehen, ohne die Wunderkinder kassiert zu haben. Nun?«
    »Die Spurensicherung hat praktisch nichts gebracht. Zerdrücktes Gras oberhalb des Steinbruchs. Ein paar Gramm Sand, Moos und Blätter in Plastiktütchen für den Fall, daß ein Täter so liebenswürdig ist und uns seine Kleidungsstücke für eine Laboruntersuchung zur Verfügung stellt, damit wir ihn überführen können. Irgendwo auf diesem Globus müßte es auch den Gegenstand geben, mit dem die Einwirkung der stumpfen Gewalt so wirksam vollzogen wurde. Bis jetzt hat man da oben nichts gefunden.«
    »Lupus«, sagte Freiberg ganz leise, beschwörend fast. »Ich möchte wetten, der liegt im Blauen See.«
    »Du magst recht haben, Chef. Den Corpus die Steilwand hinunter und das Dingsbums hinterher. Vielleicht ist es einer der vielen Knüppel, die im Wasser treiben, oder ein länglicher schöner Stein, der sich im Steinbruch zu Hause fühlt. Doch wohl ziemlich aussichtslos, diese Suche, wie mir scheint.«
    »Nicht so kleingläubig. Hast du nicht selbst vom Schraubenschlüssel oder einer Eisenstange gesprochen?«
    »Ich ahne schon, was da herausgeholt wird: Geklaute Fahrräder, Blechpötte und Gerumpel aller Art, sowie Waffen und Munition aus vergangenen Zeiten. Im März fünfundvierzig hat die Erste Amerikanische Armee nach der Kapitulation der Festung Bonn den zermürbten Verteidigern im Siebengebirge die Drachenzähne gezogen. Damals hat es mächtig gerumst, der Rhein war wochenlang Hauptkampflinie. Sogar Adenauer hat in seinem Rhöndorf die Granaten auf sich zufliegen sehen. In manchem Loch oder Tümpel findet sich immer noch Strandgut des Krieges.«
    »Nun gut, dann wird eben demokratisch entrümpelt. Wenn nur unser Marschallstab dabei ist.«
    Fräulein Kuhnert rief durch die Tür: »Was, die ganze Mordkommission will baden gehen? Von euch Froschmännern soll nur keiner glauben, er würde im Bett der Prinzessin wieder aufgewärmt.«
    Lupus ermunterte sie: »Warum eigentlich nicht? Dann wird dein Ahrens ein Prinz!«
    »Nicht nötig«, rief sie zurück. »Den habe ich schon geadelt. Aber für das Protokoll wäre ich gern dabei.«
    »Geht klar«, bestätigte Freiberg. »Läßt sich das Ganze mit unseren Polizeitauchern durchführen, oder müssen wir uns an die Feuerwehr wenden, vielleicht auch an die Sporttaucher?«
    »Chef, die Aktion müßte größer aufgezogen werden, ohne daß wir gleich als Veranlasser zu erkennen sind«, gab Lupus zu bedenken. »Da gibt es auch Haftungsfragen. Aber wenn wir die Kollegen vom Bundesgrenzschutz in Hangelar darum bitten, werden die uns im Rahmen der Amtshilfe einen Taucheinsatz zelebrieren, daß den Fischen die Schwänzchen senkrecht stehen.«
    »Sehr gut, laß deine Beziehungen spielen und sieh zu, daß der Teich morgen geräumt wird. – Halt, warte! Ich bin noch beim Thema eins, ich meine die Spuren. Am Tatort war das wohl schon alles, aber laß uns nicht vergessen, daß Guido Siemann bei seiner Holzauktion einen Wanderer mit dunklem Anorak oder Parka gesehen haben will. Dann wäre außer ihm und dem abgestürzten Klatte noch einer vor Ort gewesen.«
    »Der große Unbekannte. Wenn ich Siemann wäre, hätte ich den auch erfunden.«
    Freiberg schüttelte leicht den Kopf. »Erinnere dich an die Vernehmungssituation. Ich glaube, das war nicht erfunden. Siemann war auf den Holzdiebstahl fixiert. Erst auf meine Frage hat er spontan geantwortet, er habe auf dem Parallelweg einen Wanderer gesehen und hinzugefügt: Der hat von meiner Aktion nichts bemerkt.«
    »Au weia. Mensch mit dunklem Anorak. Den lassen wir am besten gleich von Eduard Zimmermann in Aktenzeichen XY ungelöst über das Fernsehen suchen.«
    »Ich sehe, du schließt den geheimnisvollen Dritten jedenfalls nicht mehr aus.«
    »D’accord, bis zum Beweis des Gegenteils«, stimmte Lupus zu. »Wenn überhaupt, dann kommen wir nur über die Öffentlichkeit weiter.«
    »Richtig, jetzt brauchen wir die Hilfe der Presse. Der schnelle Mauser bekommt sein Futter. Er soll voll reingehen nach dem Motto: Sensationelle Wendung im Fall Klatte. Kein Unfall – Mord im Siebengebirge. Kripo sucht Unbekannten mit dunklem Anorak – und alles, was dazu gehört.«
    »Und die Fahndung Siemann?«
    »Laß den Namen noch draußen, aber teil Mauser diskret die bevorstehende Tauchaktion mit. Das wird sein Herz erfreuen. Nur vergiß die anderen Blätter nicht, sonst gibt’s Ärger wegen der Gleichbehandlung. Laß das unsere Pressestelle erledigen – die