Fehltritt Im Siebengebirge
können auch dpa und ddp informieren.«
»Damit wissen wir, was uns in den nächsten Tagen bevorsteht. Die Moralschreiber werden uns Löcher in den Bauch fragen: Wann endlich legt die Polizei den Mördern im Siebengebirge das Handwerk? Warum keine Festnahme? – Uns und den lieben Vorgesetzten werden die Ohren dröhnen.«
Freiberg nickte ergeben. »Unvermeidbar. Denk daran, nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg. Nur dadurch kommen wir aus dem Schraubstock heraus. – Nun, so weit, so gut. Auf Thema eins folgt Thema zwei: Was hatte Klatte vor?«
Lupus zögerte nicht mit der Antwort. »Den Guido Siemann aufs Kreuz legen. Das Treffen in der ›Old-Sound-Disco‹ war kein Zufall. Denk an den INZOLL-Datensatz.«
»Siemann müßte in Klatte schon eine ganz große Gefahr gesehen haben. Gewiß nicht nur wegen Holz oder Liebe.«
»Du unterschätzt die Triebe.«
»Triebe treiben Träge nach Trakehnen«, murmelte Freiberg.
Lupus sah seinen Chef verständnislos an. »Hm?«
»Laß gut sein, das ist eine andere Welt. Aber Rauschgift via Amsterdam, Antwerpen nach Bonn, Kokain-Direktimport aus Südamerika oder Heroin aus der Türkei, erst unter Verschluß durch Deutschland hindurch nach Benelux und von dort in kleineren Portionen zurück zu uns. Das läuft. Denk an den Transit-Lkw in Bayern, der mit Motorschaden auf dem Parkplatz im Spessart liegengeblieben war. Mehr als dreißig Kilo Heroin, über eine Million Fixerportionen, haben unsere Kollegen aus dem Auflieger herausgeholt. Zöllnernasen in solchen Geschäften sind gefährdet, auch wenn das Schnüffelorgan einem Klatte in Bonn gehört. Aber warum finden wir nicht eine einzige Andeutung in seinen Aufzeichnungen?«
»Der war wohl noch nicht soweit.«
»Immerhin haben wir etwas gefunden: Notizen über Alkoholprozente, Mineralölfirmen und das Wort ›Umsatz‹ mit einem dicken Fragezeichen dahinter, außerdem Preislisten von Supermärkten.«
»Klattes Arbeitsalltag«, meinte Lupus. »Guido war vielleicht nur ein vager Verdacht, ein Hobby – allerdings mit tödlichem Ausgang.«
Freiberg strich mit den mittleren drei Fingern der linken Hand langsam über seine Stirn. »Okay, unsere Argumente sind ausgetauscht. Die Katze fängt an, sich in den Schwanz zu beißen. Ich werde mich mit der Staatsanwaltschaft kurzschließen, den Chefs berichten, Haftbefehl beantragen und so etwas wie Aktenstudium betreiben. Sag du dem Ahrens, er solle ab und zu mal nachschauen, ob die Richter vielleicht doch in ihrer Wohnung auftaucht. Wir haben leider nichts in der Hand, um sie in unsere Obhut zu nehmen. Und gib mir Nachricht, wann die Froschmänner kommen.«
Kapitel 16
Um die Stunde, da Bonns fleißige Bürger bereits schliefen, einige Politiker in ihren Stammkneipen immer noch schwadronierten und brave Beamte sich zur Ruhe begaben, um von der Karriere zu träumen, herrschte im Präsidium eine nahezu unwirkliche Stille. Hin und wieder klappte fern eine Tür – jemand ging über den Flur. Das Vibrieren des Aufzugs kam aus einer fremden Welt. Bei »CEBI« in der Einsatzleitstelle zeigten die jungen Uniformierten noch nicht die beklemmende Anspannung im Kampf gegen die Morgenmüdigkeit. Die Nacht verlief ruhig. Doch jede Sekunde konnte über no ein Hilferuf die trügerische Idylle stören. Die leisen Gespräche drehten sich nicht um Beförderungen oder Urlaub, sondern um den Zustand der deutschen Fußballnationalelf. Nach Derwalls Abgang war die große Frage, ob Beckenbauer es schaffen würde, die reichen Lahmen wieder auf Trab zu bringen. Einige ließen sich ihren Zweifel nicht nehmen: »Kaiser Franz ist kein richtiger Trainer, der hat keinen einzigen Schein. Die Werbeträger haben zu viele Scheine und dabei ganz vergessen, daß der Ball rund ist und ein Spiel neunzig Minuten dauert. Mensch, der Herberger hätte denen Dampf gemacht!«
Freiberg hatte den Kriminalhauptkommissar vorübergehend abgelegt, den Bürostuhl gedreht und die Beine diagonal auf die Schreibtischkante gelegt. Mit der linken Hand hielt er ein Klemmbrett auf den Knien und versuchte, sich der jungfräulichen Königin zu nähern – Blatt für Blatt. Um sich nicht vom Fluß der Gedanken fortreißen zu lassen, folgte der Bleistift jeder Zeile, jedem einzelnen Wort und jedem Satzzeichen. Sabine Heyden ahnte nicht, welche Mühsal es für ihren Waldi bedeutete, Geschehnisse aus einer Welt zu korrigieren, in der er die Erfüllung seines Lebenswunsches gefunden hätte, die sich aber jetzt immer mehr vor ihm
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