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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Polizei am Kai in Nådendal nach einem Paar mittleren Alters in einem Leihwagen Ausschau halten. Alleinreisende schwedische Männer würden sie weitgehend unbeachtet lassen. Er hatte noch acht Stunden Zeit, vier bis Helsinki und dann vier weitere, bis die Fähre nach Tallinn ablegte.
    Ohne sie wäre es nie gegangen. Sie hatte die Wagen gemietet, die Tickets gekauft, und sie war der Grund dafür gewesen, daß er unbewacht seinen Urlaub verbringen durfte. Es war eine der zahlreichen humanen Besonderheiten des schwedischen Strafvollzugs, daß Eheleute nach Möglichkeit in Ruhe gelassen wurden, wenn sie zusammenkamen. Vermutlich hatte man nicht mal ihre Wohnung abgehört. Schweden war ein schlappes Land, von Naivität und Dummheit geprägt.
    Sie hätte es ohnehin nicht geschafft, den Rest ihres Lebens in Moskau zu verbringen. Er hatte ihr vorgegaukelt, daß sie schon nach wenigen Jahren von Kindern und Enkeln besucht werden könnten, und sie war Schwedin genug gewesen, ihm zu glauben. Er hatte ihr gesagt, daß er als Major des russischen Geheimdienstes GRU ein Recht auf eine Stadtwohnung und ein Sommerhäuschen am Schwarzen Meer habe, und sie hatte auch das geglaubt.
    Sie war jetzt bestimmt glücklicher, als sie je hatte werden können. Wenn er nach der Reise erklärt hatte, sie sei nur ein Cover gewesen, um ihm die Flucht zu ermöglichen - etwas anderes hätte er nie gesagt -, hätten sie sie nach Sibirien verbannt oder erschossen.
    Unter Umständen hätte er sie auf dieser Reise sogar begleiten müssen. Denn wenn die Russen es sich in den Kopf gesetzt hätten, daß einer ihrer Spione, der in einem feindlich gesinnten Land verurteilt worden war, nicht einfach mit Hafturlaub davonspazieren konnte, wären sie natürlich zu dem Schluß gekommen, daß irgendein westlicher Nachrichtendienst ihn umgedreht hatte und jetzt versuchte, was bislang noch immer mißlungen war: einen Doppelagenten in das Hauptquartier des GRU in Moskau einzuschleusen. Dies hätte sein Ende bedeutet Andererseits würde sich mit seiner Flucht in aller Öffentlichkeit bestätigen, daß es wirklich ein Land auf der Erde gab, in dem ein sowjetischer Spion nach Recht und Gesetz Hafturlaub erhielt, eine Pension, Dienstalterszulagen, einen neuen Namen und einen echten Paß.
    Allerdings hatte er sie aus dem Weg geräumt. Das hätten die schwedischen Behörden natürlich nicht mitgemacht, wenn es darum ging, einem Spion ein Cover zu verschaffen. Und falls man seine Version in diesem Punkt anzweifelte, so war die einzige Alternative, daß die Behörden in Schweden sie einfach hatten verschwinden lassen. Ein solches Manöver wäre jedoch unmöglich in einem Land, in dem alle Staatsbürger eine Geburtsnummer haben, in einem Land, in dem alle Telefone abgehört werden können und in dem alles in der Zeitung steht.
    Es war also ein Teil seiner Lebensversicherung, daß er sie getötet hatte.
    In manchen Augenblicken hatte er sie zudem verabscheut. Sie war ein Weibsbild, das fast zehn Jahre älter war als er und entsprechend aussah. Sie hatte sich allen Ernstes vorgestellt, daß er sie »liebte« und den Rest seines Lebens mit ihr zusammenleben wollte, nur weil sie sich vor einer Ewigkeit in einem Sommer ein paarmal getroffen hatten, als er bei einer Wehrübung gewesen war. Und ein paar Jahre nach dem Urteil hatte sie damit begonnen, ihm zu schreiben, zu einem Zeitpunkt, als er ziemlich am Boden gewesen war.
    Jetzt war er zwar schon fünfzig, aber weit besser in Form, als er seit seinem Wehrdienst bei der Küstenwache je gewesen war. Seit sieben Jahren hatte er nüchtern und gesund gelebt und täglich trainiert; das immerhin hatte er dem Gefängnis zu verdanken. Er wog zwanzig Kilo weniger als bei seiner Verurteilung und schaffte jetzt fünfundsiebzig Liegestütze und neunzig Kilo auf der Trainingsbank, und die Zeit der Demütigungen war vorbei.
    Er spürte, wie Haß in ihm hochkam, so daß sein Puls plötzlich im ganzen Körper zu pochen begann.
    Die Israelis hätten ihn um ein Haar zerbrochen, das ließ sich nicht leugnen. Er war in einem schlechten Zustand gewesen, hatte getrunken und war unvorsichtig gewesen, und sie hatten ihn schon nach einem Tag in Israel geschnappt. Dann hatten sie ihn mit Whisky abgefüllt. Sie drohten ihm mit einer außergerichtlichen Erschießung, falls er nicht mit ihnen zusammenarbeitete. Er hatte trotzdem darauf gesetzt, daß sie nicht alles wußten, was sie zu wissen behaupteten, und erklärt, seine Arbeit habe sich gegen Schweden

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