Feind des Feindes
Sehr komisch, daß es in einigen Dingen sozusagen vertauschte Rollen gibt. Was halten Sie übrigens von unserer Perestrojka?«
»Wir hoffen, daß Sie damit Erfolg haben. Wir haben Angst davor, daß es wie bei früheren Versuchen in ein paar Jahren schiefgehen könnte, denn dann gibt es schlimmstenfalls wieder Kalten Krieg. Und Schweden liegt zu nahe, als daß wir… ja, als daß wir es uns leisten könnten, wieder Feinde zu werden, und das mehr als je zuvor, wie zu vermuten ist.«
»Ja, wir wollen hoffen, daß es nicht so kommt. Ich selbst aber gehe nach Sibirien, was auch immer passiert.«
Carl starrte seinen russischen Kollegen verblüfft und verständnislos an. Doch Tschiwartschews Gesicht hellte sich zu einem Lächeln auf.
»Ich stamme nämlich von dort«, erklärte er. »Sibirien ist meine Heimat. Sie müssen mich dort mal besuchen, dann können wir gemeinsam auf die Jagd gehen. Saiga-Antilopen. Gehen Sie gern auf die Jagd, ich meine, auf Tiere?«
»Ja, aber in den letzten Jahren habe ich fast ausschließlich auf anderes Wild Jagd machen müssen.«
»Und welche Zukunftspläne haben Sie selbst, mein junger Herr Fregattenkapitän?«
»Ich werde Vater. Wahrscheinlich werde ich mich künftig mit Stabsfunktionen begnügen und im Büro arbeiten.«
»Meinen Glückwunsch. Ich gratuliere aufrichtig, aber nicht nur Ihnen, sondern auch bestimmten Kollegen, denen Sie künftig auf dem Feld erspart bleiben. Sie haben uns im Lauf der Jahre einige Probleme bereitet. Schade, daß ich Sie nicht mit meinem Nachfolger in Stockholm bekanntmachen kann. Sie hätten bestimmt viel Gesprächsstoff, denn er hat etwa Ihren Hintergrund.«
»Ginge das nicht ein bißchen zu weit?«
»Zugegeben. Allerdings sind wir schon recht weit gegangen und haben uns Ihretwegen sogar in das freie sowjetische Kulturleben eingemischt. Ich kann Ihnen versichern, daß das nicht ganz einfach war. Perestrojka schafft auch einige Probleme. Aber immerhin. Stellen Sie sich vor, daß ich meine Laufbahn damit beenden wollte, den indiskretesten Spion der Welt anzuwerben.«
»Noch ist es nicht zu spät.«
Da lachten beide laut auf. Das Lachen wollte einfach nicht aufhören. Sie umarmten sich und lachten unter den erstaunten und mißbilligenden Blicken der in dicke Mäntel gehüllten Moskauer Passanten, bis ihnen die Tränen über die Wangen liefen.
Buch
In seinem vierten Coq-Rouge-Abenteuer holt den seelisch-moralisch angeschlagenen Titelhelden Carl Gustaf Gilbert Graf Hamilton alias Coq Rouge seine linksradikale Vergangenheit ein. Trotz hoher internationaler Auszeichnungen bringt ihn eine Verleumdung in den Verdacht, ein russischer Agent zu sein. Er kann sich nur durch einen Mord entlasten, den er zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten diskret über die Bühne bringt. Danach aber erhält er überraschenden Besuch in Stockholm: Die Russen vermuten, daß eine unbekannte Macht versucht, einen offenen Krieg zwischen schwedischem und russischem Geheimdienst zu schüren. Um das zu verhindern, muß Coq Rouge das Unerwartete tun - sich mit den Feinden verbünden.
Autor
Jan Guillou , 1944 in Södertälje geboren, ist mit seinen »Coq-Rouge-Romanen« zum erfolgreichsten Thriller-Autor Schwedens avanciert. Der Journalist und Fernsehmoderator, der selbst unter Spionageverdacht im Gefängnis saß, nahm immer wieder illegale Spionageaktionen seines Landes kritisch unter die Lupe. Guillous Recherchen erregten weltweit Aufsehen. Mit Coq Rouge hat er eine der eindrucksvollsten Agentenfiguren nach James Bond geschaffen. Im Piper Verlag erschien von ihm zuletzt der Coq-Rouge-Thriller »Der einzige Sieg«.
Copyright
Deutsche Erstausgabe
1. Auflage Februar 1994
2. Auflage Januar 1997
© 1989 Jan Guillou
Titel der schwedischen Originalausgabe:
»Fiendens Fiende«,
Norstedts Förlag, Stockholm 1989
© der deutschsprachigen Ausgabe:
1994 R. Piper GmbH & Co. KG, München
Umschlag: Büro Hamburg Simone Leitenberger, Susanne Schmitt, Andrea Lühr
Umschlagabbildung: © CSA Archive Foto
Umschlagrückseite: Ulf Lodin
Satz: Clausen & Bosse, Leck Druck und Bindung: Ebner Ulm
Printed in Germany
ISBN 3-492-25632-5
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