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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Spieß mit beiden Händen, richtete
die Spitze auf Helion. »Ich schätze solche Widerspenstigkeit nicht. Aber ich
gebe dir noch eine Gelegenheit, mich die Sache vergessen zu lassen. Gib mir das
Schwert und mach dich endlich daran, deinen Kameraden zu helfen.«
    »Niemand fasst meine Waffen an«, versetzte Helion.
    »Ganz wie du meinst, Bursche. Stell das Schwert einfach wieder
dorthin, wo es war. Dann werden wir schon sehen, was damit geschieht.«
    Helion senkte den Blick und atmete ein. Er beobachtete die Knie des
Gardisten. Die Knie verrieten immer, wie sich ein Gegner bewegen würde. Dieser
hier wollte offenbar stehen bleiben. Er rechnete mit Helions Einlenken.
    Das war sein Fehler.
    Im Ausatmen sprang Helion vor. Ohne das Schwert aus der Scheide zu
ziehen, schlug er es gegen den Kopf des Gardisten.
    Er war durch einen Helm geschützt, also konnte ihn die stumpfe Waffe
nicht verletzen, aber der Schlag war sicher schmerzhaft und so wuchtig geführt,
dass der Kopf zur Seite gerissen wurde.
    Ohne abzuwarten, setzte Helion mit dem Knie nach, das er seinem
Gegner zwischen die Beine rammte.
    Das Kettenhemd hielt einiges ab und die harten Ringe schmerzten
Helion, aber der hohe Schrei des Gardisten verriet, dass auch er beeindruckt
war. Es sprach für seine Disziplin, dass er den Spieß nicht fallen ließ, und
für seine Klugheit, dass er auf einen sofortigen Gegenangriff verzichtete und
stattdessen einen humpelnden Schritt rückwärts machte, um Überblick zu
gewinnen. Zudem war der Spieß auf diese Distanz wenig nützlich.
    Helion hätte nachsetzen können, aber das hätte nur weitere Schwierigkeiten
gebracht. Also blieb er, wo er war.
    »Was fällt euch zwei Hitzköpfen ein?« Ein Gardist stapfte in die
Senke herunter. Sein Helm war von einem Rossschweif geziert. »Erriol, meine
Geduld mit dir ist um!«
    »Aber dieser Arriek hat angefangen!«
    »Jammer nicht wie ein Waschweib!« Er schlug ihm mit dem
Panzerhandschuh ins Gesicht, was durch den Helm ein wenig gedämpft wurde. »Geh
mir aus den Augen! Sofort! Bevor ich dich auspeitschen lasse!«
    Mit hasserfülltem Blick zog der Geschlagene ab.
    Der Offizier funkelte Helion an. »Und du? Was fällt dir ein?«
    Helion hielt dem Blick stand. »Niemand fasst meine Waffen an.«
    Langsam schüttelte der Offizier den Kopf. »Ihr habt euch alle
verschworen. Ihr wollt mich wahnsinnig machen. Das ist es. Aber das könnt ihr
vergessen! Hörst du? Ich werde nicht durchdrehen in diesem verrückten Wald! Ich
nicht!« Er atmete tief durch. »Und was du tun wirst, das sage ich dir. Du wirst
jetzt diese edle, wundervolle, unberührbare Waffe abstellen, wo immer es dir
genehm ist, und dann wirst du, verdammt noch mal, an die Arbeit gehen!«
    Während des Tages sah sich Helion genau auf dem Ritualplatz und in
der Umgebung um. Am Nachmittag war die Arbeit getan, alles war vorbereitet. Die
Söldner wurden zu ihren Einheiten geschickt.
    Mit der Abenddämmerung schlich sich Helion zurück. Drei Gardisten
waren zur Wache eingeteilt, aber damit beschäftigt, Kriegsgeschichten
auszutauschen. Sie hielten wohl auch den mühsam errichteten Schädelthron für
das Einzige, was ihrer Aufmerksamkeit wert war.
    Helion stieg in verschiedene Öffnungen des Gesichterbaums, bis er
eine fand, in der er sich eine Nacht und einen Tag lang aufhalten konnte, die
so tief war, dass sie von außen nicht einsehbar war und die zu seinem Glück
sogar im Holz ein kleines Loch aufwies, durch das er auf den Opferstein spähen
konnte.
    Wenn er sein Versteck wieder verlassen würde, dann um zu kämpfen. Es
gab keinen Grund mehr, sein Schwert zu verhüllen. Er löste die Umwicklung des
Griffes und drückte den Rubin gegen seine Stirn. Dies sind
meine letzten Gedanken …

    Liólas Waden schmerzten von den vielen Treppenstufen. Sie war so
hoch auf den Palastbaum gestiegen, dass sie über den Nachtschattenwald nach
Osten sehen konnte, wo nun die Sonne über den Baumkronen spielte. Nicht eine
Wolke stand am Himmel. Dies war der letzte Sonnenaufgang, den sie jemals sehen
würde. Tränen stiegen in ihre Augen. Ich bin erwählt.
    All die langen Jahre, der Dienst im Kult, die Rivalen, die sie aus
dem Weg geräumt hatte, die Studien der dunklen Kunst, bei denen sie erst jetzt
hoffen durfte, zu tieferem Verständnis zu gelangen, da sie Jahrhunderte vor
sich hatte. Vor allem aber ihre Hingabe an Lisanne, die Unvergleichliche. Die
Schattenherzogin würde sie in die Arme der Finsternis leiten, und der SCHATTENKÖNIG , Ehrfurcht SEINEM

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