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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Belastung hielt das Holz nur bedingt stand, überall
taten sich Risse auf, viele mannshoch, manche noch größer. Sie stieg in einen
hinein.
    Hier drin war es nicht gänzlich dunkel. Ein Astloch ließ Licht hereinfallen.
Lióla quetschte sich so tief wie möglich in den Spalt. Sie stellte sich vor,
wie sich die Gefangenen fühlen mussten. Sie waren nicht gefesselt, sonst hätten
sie ihre Hände nicht so heben können, wie man es von außen sah. Wie brachten
die Fayé sie dann hier herein? Mit Drohungen bestimmt. Manchem Dummkopf war ein
Jahrhundert Qualen lieber als der schnelle Tod, den eine Klinge versprach. Oder
die Fayé hatten Geiseln, vielleicht die Familien der Opfer. Menschen taten
erstaunliche Dinge für ihre Angehörigen. Auch Modranel hatte diese Schwäche
gehabt, sonst hätte sie ihn nicht überwinden können. Oder manipulierten die
Fayé den Verstand der Verurteilten? Wie bei den Pferden, mit kleinen
dämonischen Kreaturen, die sie in die Ohren kriechen ließen, um den Willen zu
dämpfen? Lióla lachte. Ihr gefiel der Gedanke, jemandem so etwas anzutun. Sie
nahm sich vor, einige Jahre ihrer Ewigkeit mit dem Studium der Magie der Fayé
zu verbringen.
    Vorsichtig stieg sie wieder aus dem Baum. Sie wollte sich nicht
jetzt, so kurz vor der Zeremonie, den Fuß umknicken.
    Nemerat wies noch immer den Seelenbrecher zurecht. Diese
Einzelheiten langweilten Lióla. Kühl nickte sie den beiden zu und begab sich
zurück zum Palast.
    Sie entschied, dass sie die Sonne nicht vermissen würde. Sie war ihr
schon immer zu hell gewesen. Mit dem Essen wäre es vielleicht anders. Zum
letzten Tag einer angehenden Osadra gehörte auch ein Festmahl, schließlich
würde sie nie wieder Speisen zu sich nehmen.
    Sie aß keine großen Mengen, denn sie wollte während der Zeremonie
nicht träge sein. Aber sie ließ sich viele verschiedene Dinge auftischen.
Wachteleier, knusprig gebratene Horan-Ente, ein Lamm, das noch vor der Geburt
aus dem Leib seiner Mutter geschnitten worden und deswegen besonders zart war,
auch die exotischen Früchte aus den Gegenden des Nachtschattenwaldes, die nicht
durch die dämonische Magie pervertiert waren, dazu einen leichten Wein und
Säfte. Sie genoss das Essen, aber ihre Gedanken blieben auf die Nacht
gerichtet. Das änderte sich auch nicht, während sie in den folgenden Stunden
durch den Palast streifte und die Flure erkundete, zu denen ihr noch gestern
der Zugang verwehrt worden war. Vielleicht lagerten hinter den Türen hier
besondere Schätze der Fayé, aber Lióla verlangte nach der Macht der Schatten.
Sie hatte jetzt keine Geduld, anderes zu erforschen.
    So begab sie sich bereits eine Stunde vor Sonnenuntergang in den
Saal, in dem sie abgeholt werden sollte. Sie hielt die Gardisten mit einem Wink
zurück, als sie Anstalten machten, die Kerzen zu entzünden. Lióla wollte die
Dunkelheit durch die Fenster kommen sehen. Sie genoss es, wie das Licht
schwand, den Kampf gegen die Dämmerung verlor, langsam, aber unaufhaltsam.
Brünetta erkannte sie an ihrem schlurfenden Schritt. Als sie kam, war es schon
zu dunkel, als dass sie den Ghoul hätte sehen können. Umgekehrt war das anders.
Die tiefliegenden Augen der Leichenfresser erkundeten das Dunkel besser als das
Licht.
    Jetzt würden auch die Osadroi erwachen. Sie ruhten irgendwo im
Palast, wo genau, wusste nur ihre persönliche Garde. Ganz sicher in Räumen, in
die kein Tageslicht eindringen konnte. Es bereitete den Schattenherren
Schmerzen. Ein lästiger Preis für die Unsterblichkeit. Keinesfalls ein zu
hoher. Die kümmerliche Rache gefallener Götter, die die Welt an die Schatten
verloren hatten.
    Es war der Hauptmann von Lisannes Garde, der sie holen kam. »Lióla,
seid Ihr breit, Eure Seele den Schatten zu überschreiben, Euer Herz dem SCHATTENKÖNIG zu geben und Eure Sterblichkeit gegen die
Ewigkeit zu tauschen?«
    Sie erhob sich, kostete den süßen Schmerz aus, den entscheidenden
Moment, in dem der Weg vom Leben ins Unleben begann, noch einige Augenblicke
hinauszuzögern. Sie lauschte auf ihren Herzschlag. Bald würde sie keinen mehr
haben. »Ich bin bereit.«
    »Dann lasst alle Schwäche in diesem Raum, Lióla, und folgt mir.«
    Der Tradition gemäß gingen sie den Weg zum Ritualplatz schweigend.
Sie passierten kleine Gruppen von Verdienten, die dadurch, dass sie einen Blick
auf die Erwählte erhaschen durften, in ihrer Hingabe bestärkt wurden. Das war
eine große Ehre. Zeremonien wie diese waren sehr selten. Die Unsterblichen
waren

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