Feind
Ringe aus edlen Metallen an oder eben in ihre
Ausrüstung. Deswegen wunderte sich Helion nicht darüber, wie individuell die
Äxte und Schwerter gestaltet waren. Einfach- oder Doppelblätter, gebogene,
gewellte und gerade Klingen, zwei Morgensterne, eine kleine Armbrust, ein mit
Stacheln gespickter Kampfhandschuh, ein Dorn, der sich an den Ellbogen schnallen
ließ, sogar eine Hellebarde. Während Helion die beiden Krummschwerter und das
Mondsilberschwert dazustellte, betrachtete er den Baum aus der Nähe.
Die Gesichter waren so deutlich ausgebildet, als hätte jemand einen
undurchsichtigen Schleier über sie gebreitet, der die Farbe der Baumrinde
hatte. Die Struktur der Borke war kaum zu erkennen, das Holz war glatt, wo es
eine Stirn, eine Wange, Lippen oder Augen nachbildete. Der Baum selbst wirkte
ebenfalls, als litte er Qualen, wobei Helion nicht wusste, woraus er diesen
Eindruck gewann – aus dem gezackten Wuchs der Wurzeln vielleicht oder der Art,
wie die Äste sich wanden. Der Stamm war in sich verdreht wie eine Spirale. An
manchen Stellen schien er auseinanderzureißen, Löcher öffneten sich.
»Die Fayé verstehen etwas von Strafen«, stellte der Gardist fest,
der die Waffen bewachte.
Helion nickte. »Der Baum sieht ungesund aus.«
Der Gardist lachte. »Hast du keine Augen im Kopf, oder liegt dir
wirklich mehr an Pflanzen als an Menschen?« Er schlug ihm auf die Schulter.
Helion stieß seine Hand weg.
Der Gardist runzelte die Stirn. »Nicht so unfreundlich, sonst lassen
dich unsere neuen Freunde auch noch einwachsen.«
Einwachsen?
Helion sah die Gesichter genau an. Erst jetzt erkannte er, dass da
auch Hände waren, die zu versuchen schienen, sich aus dem Holz herauszudrücken,
Andeutungen von Brustkörben, Schultern.
»Du hast es wirklich nicht begriffen, was?« Der Gardist lachte. »Die
Rituale der Fayé sind anders als die unserer Herren, aber sie vermögen
Erstaunliches. So gehen sie mit denen um, die gegen sie aufbegehren!«
Verschwörerisch beugte er sich vor. »Die kriegen alles mit, da in dem Holz. Und
sie leben lang. So lange wie der Baum. Können sich nicht rühren, ein
Jahrhundert Schmerzen, nichts als Schmerzen.« Er grinste.
Helion zuckte mit den Schultern.
Das war wohl nicht die Reaktion, die sein Gegenüber sich erhoffte.
Er runzelte die Stirn. »Ja, ihr Arriek bleibt gern unter euch, was? Haltet euch
für besser als alle anderen. Aber das seid ihr nicht. Und außerdem«, er nahm das
Mondsilberschwert, das Helion abgestellt hatte, »scheinst du den Sitten auch
nicht ganz treu zu bleiben. Sonst führt ihr doch nur die gekrümmten Klingen.«
Helion starrte ihn an. Der Stoff, den er um den Griff gewunden
hatte, saß fest, der Rubin war noch nicht einmal zu ertasten. Solange das
Schwert in der Scheide blieb, war nicht zu erkennen, was es wirklich war. Aber
schon ein flüchtiger Blick auf die Mondsilberklinge würde ihn verraten. Nicht
auszuschließen, dass die Vorbereitungen für das Ritual bereits genug Magie
beinhalteten, um das heilige Metall zum Leuchten zu bringen. »Stell das wieder
hin«, verlangte Helion ruhig.
»Ah, jetzt habe ich deine Aufmerksamkeit, was?« In der Rechten hielt
er noch seinen Spieß, das Mondsilberschwert schwenkte er in der Linken. »Es
macht dir doch nichts aus, wenn ich mir mit deinem Spielzeug die Zeit
vertreibe?«
Helion sagte nichts, sah ihm nur fest in die Augen. Er beugte seine
Knie leicht, um sich schnell bewegen zu können. Die Waffen lagen auf dem
Steinblock wie Leckereien auf einer Tafel, er musste nur zugreifen. Am besten
wäre einer der Morgensterne. Er könnte den Stock von unten fassen und die
Stachelkugel am Ende der Kette mit der Bewegung nach oben reißen. Es wäre nicht
schwierig, dem Gardisten auf diese Weise den Unterkiefer aus dem Gesicht zu
schlagen.
Aber er würde nicht seinen Kampf gegen Lisanne gefährden, indem er
jetzt diesem Wicht eine Lektion erteilte. Stattdessen schnappte er nach dem
Mondsilberschwert. Bevor sein Gegenüber begriff, was geschah, hatte er ihm die
Waffe aus der Hand gewunden.
Verblüfft sah der Gardist ihn an. »Du bist so schnell, wie man es
von den Arriek sagt.« Sein Gesicht verfinsterte sich, als er die Überraschung
überwand. Es mochte auch daran liegen, dass seine Kameraden herübersahen und
lachten, ebenso wie einige Söldner, denen jeder Anlass recht war, um mit der
Arbeit innezuhalten.
Der Gardist kam um den Stein herum, sodass jetzt kein Hindernis mehr
zwischen ihnen war, und fasste dabei seinen
Weitere Kostenlose Bücher