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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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so laut schrie, dass man annehmen
musste, dass ihre Stimmbänder bald reißen würden, fragte sich Helion, ob er
hier hätte abwarten können, wenn ihm nicht während seiner Rettung seine Gefühle
genommen worden wären. Er versuchte, sich an sein altes Ich zu erinnern. Aber
welches war das? Der Jüngling von früher, war er der wahre Helion? Oder
Treatons Schüler? Der Paladin, der nach Guardaja gezogen war? Der Besiegte? Der
Anführer, der beinahe dreihundert Streiter dorthin gebracht hatte, wo sie den
Tod gefunden hatten? Jeder von ihnen war anders gewesen, auch wenn jeder von
ihnen Gefühle gekannt hatte. Und keiner war so entschlossen gewesen, Lisanne zu
töten. Vielleicht hätten sie sich zu einem kopflosen Angriff hinreißen lassen,
spätestens, als die ersten Kinder mit blutenden Augen starben. Aber für den Helion,
der jetzt in dem Baum wartete, zählte nur eines. Der Sieg. Und darum harrte er
aus.
    Schattenkönig Elien schien nicht in die Zeremonie involviert. Sein
Thron stand Helions Baum gegenüber, so weit entfernt, dass er seine Gestalt
nicht genau erkennen konnte, aber wenn er an dem Zauber mitgewirkt hätte, dann
hätte er sicher neben dem Opferstein gestanden.
    Oder auch nicht.
    Helion wusste so wenig von Magie.
    Aber er verstand etwas von seinem Schwert. Vorsichtig zog er die
Scheide ab und stellte sie zur Seite, ohne das Geschehen aus den Augen zu
lassen. Die Klinge schimmerte rot. Die Magie war zu weit entfernt und nicht auf
ihren Träger gerichtet, deswegen flammte sie noch nicht auf. Das würde sich
bald ändern.
    Lisanne gegenüber kniete eine Frau, die etwa in Helions Alter sein
mochte. Am Vormittag war sie schon einmal hier gewesen, hatte den Ritualplatz
inspiziert, war sogar in die Baumöffnung gestiegen, die sich neben Helions
auftat. Sie hatte eine Haut so bleich wie Milch. Ihre Züge waren durchaus
angenehm anzusehen, und Helion glaubte, dass sie ihn an irgendwen erinnerte –
noch ein Grund, warum er über vergangene Begegnungen nachdachte. Trotzdem
dankte Helion der Mondmutter dafür, dass er heute Morgen keine nähere
Bekanntschaft mit ihr gemacht hatte. Ein böser Zufall hätte sie zusammenführen
können.
    »Komm zu uns, Lióla!«, rief Lisanne da.
    Helion zuckte zusammen. Wie hatte er so blind sein können!
    Natürlich fand er die Züge der Frau angenehm. Sie ähnelten denen
Ajinas! Dort kniete Ajinas leibliche Schwester, Modranels ältere Tochter, die
er in die Schatten gegeben hatte, als Kaufpreis für seine Magie! Ajina hatte
von ihrer milchweißen Haut erzählt. Das Mondkind!
    Die Erinnerung an seine Geliebte traf ihn mit voller Wucht.
Vergeblich kämpfte er dagegen an. Er bemerkte, wie Lisanne innehielt, mit
gerunzelter Stirn zu ihm blickte. Er glaubte, wieder die Verbindung zu spüren,
wie damals. Bildete er sich das nur ein?
    Er hoffte es!
    Er presste den Rubin gegen seine Stirn, dachte an Ordensmarschall
Giswon, an Treaton, an die Versprechen, die er seinem Meister gegeben hatte und
der sterbenden Deria, an alles, nur nicht an … Nicht an …
    Den Tempel von Akene, seine Wut über die Dekadenz des Ordens, die
jetzt nur noch eine kalte Erinnerung war, daran, wie er Karseus und Pepp im Fechten
unterwiesen hatte, selbst an den Falben, mit dem er sich nie richtig
angefreundet hatte.
    Er lauschte auf seinen eigenen Rubin, all die Berichte, die er ihm
anvertraut hatte. Die Lage um die Festung Guardaja, die Truppenstärke, den
scheinbaren Fortschritt seiner Pläne. Er versenkte sich ganz hinein.
    Nach einer langen Zeit tauchte er vorsichtig auf.
    Lisanne war wieder mit dem Ritual beschäftigt. Lióla lag nun auf dem
Opferstein, das Gewand geöffnet. Lisanne schien zu flüstern, denn ihre Lippen
bewegten sich, während sie über den nackten Körper streichelte, knapp unterhalb
des Brustkorbs.
    Plötzlich stieß sie die Hand in Liólas Körper, der ihr kaum
Widerstand entgegensetzte. Während sich der Rücken der jungen Frau durchbog,
sodass sie nur noch mit Schultern und Hüfte auflag, drückte Lisanne ihre Hand
immer weiter in sie hinein. Liólas Gesicht war jetzt Helions Baum zugewandt,
Mund und Augen in unausgesprochener Pein geweitet.
    Lisanne tastete, dann riss sie entschlossen das Herz aus Liólas
Brust. Der Muskel pulste in ihrer Hand, als sie es hoch über ihren Kopf hielt
und dem Schattenkönig entgegenstreckte. Es pochte ruhig, als sei ihm entgangen,
dass es nicht mehr mit dem Körper seiner Besitzerin verbunden war, der sich nun
wieder entspannte. Lisanne legte es in

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