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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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in der Einsiedelei.«
    »Mit dem meisten haben uns die Menschen in den Dörfern unterstützt.
Sie haben Treaton respektiert. Er hat sie einmal von einer Räuberbande
befreit.«
    »Ja. Ich hörte davon. Das liegt mehr als zehn Jahre zurück.«
    »Dankbarkeit welkt nicht im Herzen eines ehrlichen Menschen.«
    »Mir scheint, in Akene gibt es kaum ehrliche Menschen.« Wieder blieb
Giswon eine Weile stumm. »Aber diese Erkenntnis ist nicht neu. Die meisten
Verständigen werden sie teilen.« Er ging zurück zu dem Schwert, strich mit den
Fingern über seine Scheide, ohne es aufzunehmen. »Es macht mich nachdenklich,
dass du gerade heute kommst«, sagte er mit dem Rücken zu seinem
Gesprächspartner. »Wir haben eine Rote Nacht vor uns.«
    »So wie alle vierzig Tage.«
    »Es muss eine Rote Nacht sein, in der sich die Knappen der Prüfung
stellen, um die Schwertleite zu empfangen.«
    »Heute Nacht werden die neuen Paladine erwählt?«, rief Helion.
    Ohne Hast wandte sich Giswon um. »Du wusstest es wirklich nicht?«
    »Woher hätte ich es wissen sollen?«
    »Ja, woher? Von den Rufern vielleicht, die zu dem großen Fest luden?
Hast du den Schmuck in den Straßen nicht bemerkt? Lebtet ihr wirklich so
abgeschieden, dass ihr nichts mitbekamt von den Festivitäten, auf denen sich der
Adel trifft, Händel beilegt, Ehen verabredet, Ämter vergibt?«
    »Solche Dinge betreffen … betrafen uns nicht.«
    »Nein. So scheint es.« Mit einem Ruck, einer Geste von
überraschender Kraft, die zu einem echten Krieger gepasst hätte, verschränkte
der Ordensmarschall die Arme. »Also gut. Du hast mir Treatons Silber gebracht,
und ich will nicht undankbar sein. Vielleicht ist es ein Zeichen der
Mondmutter, dass du gerade heute hierherkommst. Und dass die Zahl der Anwärter
ungerade ist, sodass du uns die Peinlichkeit eines Freiloses ersparen wirst.«
    »Dann werde ich heute Nacht geprüft?«
    »Im Licht des roten Mondes.« Mit einem ironischen Lächeln zitierte
er: »So wahr ich hier stehe.«
    »Ich …«
    Giswon legte den Kopf schräg. »Angst vor dem eigenen Mut? Willst du
doch lieber fünf Jahre vorbereitet werden? Von einem anderen als dem, den du
deinen Meister nennst?«
    »Nein. Ich danke Euch.«
    »Wenn es wirklich dein Wunsch ist, in fünf Stunden dein Schwert zu
schmieden, dann solltest du dich beeilen.«
    Fragend sah Helion sein Gegenüber an.
    »Die Anwärter beten schon im Tempel der Mondmutter. So ist es
Tradition. Den Weg wirst du doch finden?«

    Durch das Glas in den runden Fenstern versuchte man, das Licht
der Monde auch bei Tage nachzuahmen. Die meisten Scheiben waren blau, rot oder
weißlich eingetrübt. In der Seitenkapelle, in die sich Helion zurückgezogen
hatte, schuf die tiefstehende Sonne einen Finger blauer Helligkeit, wie man ihn
mit etwas Phantasie Vejata hätte zuordnen können, dem kleinsten Mond. Seit
Helion kniete, war das Licht bis zur Wand gekrochen und dann eine halbe
Mannslänge hoch.
    Außer ihm beteten hier nur zwei Aspiranten. Die Kapellen mit Silions
kräftigem Silberlicht, vor allem aber mit dem kämpferischen Rot Stygrons waren
beliebter. Wo die Statuen der Helden vergangener Zeiten standen, stießen die
Schultern der Demütigen aneinander.
    Helion empfand keine Andacht. Er hatte in Gedanken einige
Meditationen rezitiert, aber auch das hatte ihm keine Ruhe gebracht. Erst hatte
er mit dem Schicksal gehadert, das ihn hierhergeführt hatte, damit er sich um
Aufnahme in einen Orden bemühte, der schon längst heiligen Ernst gegen
oberflächlichen Glanz getauscht hatte. Dann mit seinem verstorbenen Meister,
der nicht erkannt hatte, dass Helion nichts anderes war als ein Ritter, dafür
geschaffen, in den Kampf zu ziehen. Er war kein Prediger, der andere überzeugen
konnte, eitlem Getue abzuschwören und für eine Sache, die es wert war, einem
Leben in Luxus zu entsagen. Treaton hatte umsonst gehofft, wenn er geglaubt
hatte, Helions Dienst bei den Mondschwertern könne irgendetwas ändern. Außer
vielleicht, dass auch sein Schwert niemals das kalte Fleisch eines Osadro
zerschneiden würde. Doch er wollte dem letzten Wunsch des Mannes, der ihn
geschmiedet hatte, nicht gram sein. Deswegen hatte er die Geräusche hinter
seinem Rücken zunächst als willkommene Ablenkung empfunden. Im Hauptschiff
wurden die Bänke zur Seite geschoben, um Platz für die Kämpfe der Nacht zu
schaffen. Doch seit seine Gedanken in diese Richtung wanderten, fanden sie erst
recht keine Ruhe mehr. Zwar achtete er den Orden gering, aber

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