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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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kennen
müssen, die heute Nacht um die Ritterschaft kämpfen würden. Aber den Mann, der
zwischen zwei anderen in der Kapelle der Transzendenten Ferne kniete, hatte sie
noch nie gesehen. Er wäre ihr aufgefallen. Er war älter als die meisten
Knappen, wenn auch noch nicht zu alt, wie Ajina fand. Drei oder vier Jahre
mochten sie trennen. Und er war keck. Drehte sich einfach nach ihr um! Fast als
habe er sich eingeschlichen, um im unpassenden Moment seinen Schalk zu treiben.
Doch seine Muskeln und die Schwielen an seinen Händen offenbarten so deutlich
den Krieger, dass er keiner der wandernden Spaßmacher sein konnte, die draußen
auf den Straßen das Volk unterhielten.
    »Trödele nicht!« Oberin Esmalla hatte offensichtlich Mühe, die
Lautstärke zu dämpfen, als sie ihr ins Ohr zischte. »Ein weiteres Dutzend
Rubine ist aus dem Norden eingetroffen! Wir müssen uns beeilen!«
    Ajina versuchte, möglichst reumütig auszusehen, als sie nickte.
Damit gab sich die Oberin zufrieden. Sie hatte genügend andere Adeptae, die
ihrer Zurechtweisung bedurften.
    Rubine aus dem Norden bedeuteten neue Schlachten, denn kein Paladin
trennte sich zu Lebzeiten von seinem Mondsilberschwert, und dort starben die
Ritter nie an Altersschwäche. Es war heilige Pflicht, die Waffe eines
Ordensbruders zu bergen, wenigstens aber den Edelstein im Knauf. Nicht immer
gelang das, was bedeutete, dass noch mehr Paladine gefallen sein mussten, als
nun Rubine eingetroffen waren. Nalaji behauptete, dass man dem Edelstein
ansehen konnte, was das Leben des Paladins genommen hatte. War Stahl in sein
Herz gedrungen, lag ein grauer Schimmer in dem Rot. Hatten Schatten ihn
erstickt, war es ein schwarzer. Ajina sah genau hinein, als sie zwei Rubine in
Empfang nahm. Sie entdeckte nichts als rotes Funkeln, dies allerdings mit
solchem Feuer, wie es Juwelen gebührte, die in den Schwertknäufen jener
eingearbeitet gewesen waren, die auf den Zinnen Guardajas gestanden hatten.
    Tempeldiener richteten rund um die freie Fläche die Gestelle auf,
deren Goldfassungen zur Aufnahme der Rubine bestimmt waren. Zwischen ihnen
würde gekämpft werden. So beobachteten die Gefallenen, wie sich die neuen
Mondschwerter schlugen. Und wisperten ihnen ihre Mahnungen zu.
    Als Ajina den ersten Rubin in die Halterung klemmte, hörte sie die
Stimme seines einstigen Besitzers in ihrem Kopf: »… den
Pferden zu. Im Schlamm sanken sie tief ein, drei von ihnen hatten sich bis zum
Abend ein Bein gebrochen. Unsere Klingen erwiesen ihnen Barmherzigkeit. Wenn
das so weitergeht, werden noch vor Ende der Woche zwei von uns auf jedem Pferd
sitzen. Das wird uns langsamer vorwärtskommen …«
    Ajina blinzelte und wandte sich ab, löste ihre Aufmerksamkeit von
dem Rubin. Sie lauschte gern den Berichten von der Front, viel lieber als den
Memoiren der Mondschwerter, die ihr Leben an den Fürstenhöfen von Ilyjia
verbracht und Ehrenketten erhalten hatten, weil sie die Erträge aus den ihnen
anvertrauten Pfründen gesteigert hatten. Eigentlich hätte sie die Kunde von
immer neuen Niederlagen verunsichern sollen, vor allem, da ihr eigener Weg sie
bald an der Seite ihres Vaters nach Norden führen sollte. Die Nachdenklicheren
unter den Mondschwertern zeigten oft ein besorgtes Gesicht, schließlich gab es
nur noch ein einziges großes Silbervorkommen, auf das die Schattenherren noch
nicht ihre Hand gelegt hatten. Aber Ajina war nicht ängstlich. Sie blickte
gefasst dem entgegen, was sie in Guardaja erwarten würde. Sie dachte nicht
darüber hinaus. Ihr war, als müsse ihr bisheriges Leben dort, an der Festung,
die das Silber schützte, seine Erfüllung finden, obwohl es doch eigentlich ihr
Vater war, der ein weitreichendes Versprechen gegeben hatte. Doch ohne ihren
Vater wäre auch Ajinas Leben ein anderes.
    Besonders kräftige Tempeldiener trugen den Kessel herein, in dem das
Silber schwappte, das man aus Waffen und Rüstungen der Gefallenen geschmolzen
hatte. Über dem zwei Schritt durchmessenden Behältnis flirrte die Luft.
Kunstvoll, aber dick um die Griffe gewundener Stoff schützte die Hände der vier
Träger vor Verbrennungen. Es waren bullige Männer. Da ihre Oberkörper frei
waren, traten die Muskelstränge an den schweißglänzenden Armen deutlich hervor.
    An einem anderen Tag hätte Ajina sie gern betrachtet, sie bewunderte
Kraft. Heute suchte sie den Fremden. Er war aus der Kapelle der Transzendenten
Ferne getreten und stand nun dem leeren Platz unter dem geöffneten Dach
zugewandt zwischen

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