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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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amüsiertes
Funkeln. »Wenn Ihr allein seid in einem kleinen Boot, dort, ein Dutzend Meilen
von der Küste entfernt, vor dem weißen Wallen, vielleicht, weil Ihr einem Fisch
gefolgt seid, um Euch herum nichts als Wellen, dann lernt Ihr, was Einsamkeit
ist. Lasst Euch nicht täuschen, der Nebel hat die Farbe eines Leichentuchs,
aber die See ist dort nicht still. Sie hebt Euch empor und zieht Euch gleich
darauf in ein Wellental, sodass Ihr das Land nicht mehr seht. Als wäret Ihr ein
Insekt in einer Flasche, die von einem Riesen geschwenkt wird. Und dann hört
Ihr es. Manchmal seufzen sie, manchmal stöhnen sie und manchmal schreien sie.
Der Seelennebel schweigt niemals.«
    Helion sah hinaus auf das Meer. Natürlich hatte man auch in seinem
Dorf die Geschichte von den unwürdigen Fayé erzählt, die von den Göttern
zurückgehalten worden waren. Gesehen hatte er den Seelennebel bis zum heutigen
Tag niemals. Er hatte ihn sich größer vorgestellt, wolkenhoch, bewegter, mit
Blitzen, die durch das Weiß zuckten. Trotz Narrons Versuchen stellte sich keine
Furcht bei ihm ein.
    »Es gibt sie«, schloss Narron. »Die Verschmähten.«
    Eine Weile lauschten sie auf Wellen und Wind. Narron nahm ein
Steinchen, das er in den Mund steckte, um darauf zu lutschen.
    »Seht Ihr Euch selbst so? Als Verschmähten?«
    »Vom Orden? Oder der Mondmutter?« Narron zuckte die Schultern. »Ja.
Aber spielt das eine Rolle?«
    »Mich wundert, Euch hier zu treffen. Ich hätte vermutet, Ihr übtet
schon wieder, um Euch auf die nächste Prüfung vorzubereiten.«
    »Das dauert noch beinahe ein halbes Jahr. Eine Rote Nacht muss man
abwarten, und nicht jede ist geeignet. Es wäre zu spät.«
    »Wofür zu spät?«
    »Als Mondschwert in den Krieg zu ziehen. Ihr wisst, wie wenige sich
diesem Heerzug anschließen?«
    »Ich hörte, man sei erstaunt, aus wie vielen Ländern die Kämpfer
kommen.«
    »Das sagt man, um den Mut der Truppen hoch zu halten. In
Wirklichkeit hat man den Platz für das Heerlager gewechselt. Eigentlich sollten
die Zelte auf der Kupfereichenebene stehen, jetzt lagert man vor der
Stadtmauer. Weil das Gelände kleiner ist. Es ist beinahe gefüllt, auf der
Kupfereichenebene hätte sich das Heer so verloren gefühlt wie jetzt seine
Anführer.«
    »Woher wollt Ihr das wissen?«
    Narron lachte freudlos. »Wenn man der Zögling des Ordensmarschalls
ist, kennt man viele in hoher Stellung. Man lernt auch schnell, wessen Zunge
locker sitzt, sobald er sein Spiegelbild erblickt.«
    »Ihr habt mir noch nicht gesagt, warum Ihr nicht mehr in Akene seid.
Hat Giswon Euch verstoßen?«
    »Nein. Warum hätte er das tun sollen? Er hat mich gebeten, nicht mit
ihm nach Pijelas zu kommen.«
    »Und doch seid Ihr hier.«
    Er spuckte das Steinchen über die Brüstung. »Ich wäre gern als
Silberträger in den Krieg gezogen. Aber wenn ich die Wahl habe, entweder ein Paladin
zu werden oder in der Schlacht gegen die Schatten zu stehen, dann wähle ich
Letzteres.«
    »Ihr zieht mit uns?«
    »Als Waffenknecht werde selbst ich nicht verschmäht.«
    »Ihr klingt bitter, wenn Ihr das sagt. Warum habt Ihr Euch so
entschieden? Die Ehre der Ritterschaft könnte Euer sein. Nicht jetzt, aber in
einem halben Jahr.«
    »Vor den Augen Akenes, das mag sein. Ich selbst würde nur meine
Feigheit sehen. Nach diesem Fehlschlag wird es Jahre dauern, bis die
Mondschwerter wieder zu einem Feldzug rufen. Man wird fürchten, dass noch
weniger kommen könnten.«
    »Dann werden wir bei unserem nächsten Kampf wohl Schild an Schild
stehen.«
    Hohn lag in Narrons Lachen. »Wenn man mich nicht belog, hat man Euch
zwar zu diesem Heerzug befohlen, aber in den Tross, nicht in die Reihen den
Kämpfer.«
    Helion wandte sein Gesicht ab, obwohl er wusste, dass Narron dies
als Zeichen der Scham deuten würde. »Es ist die Pflicht der Mondschwerter, die
Priesterschaft zu schützen.«
    Narrons Lederrüstung knirschte, als er sich in die Brust warf. »Ich
sollte häufiger mit Euch sprechen. Schon fühle ich mich ein wenig zufriedener
damit, doch kein Silber an meinem Panzer zu tragen.«
    Helion hörte ihn fortgehen.
    Auch für ihn wurde es Zeit. Er konnte nicht ewig auf der Mauer
stehen. Die Zelte mussten inzwischen abgebaut sein, die Vorhut war schon vor
einer Stunde ausgerückt. Bald würde man Helion vermissen, wenn er sich nicht
bei seinem Posten meldete.
    Pijelas’ Straßen lagen verlassen. Helion glaubte, dass das nicht an
dem Wind lag, der vom Geisternebel herüberwehte, sondern am Auszug der

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