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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Dromedare zogen Wagen und Karren aller Größen. Eine mit bunten
Tüchern verzierte Plane schützte die Kurtisanen vor neugierigen Blicken. Gleiches
gälte während der Nachtlager für ihre Freier. Ochsen zogen den schwer beladenen
Karren eines Schmieds. Auch der Ofen eines Bäckers drückte die Räder tief in
den Schlamm. Viele Krieger hatten ihre Familien mitgebracht, die ihnen nun im
Tross folgten. So mancher Fürst versprach den Unglücklichen und Nachgeborenen
seines Reiches für den Fall eines Sieges Land im eroberten Gebiet, und um
dieses zu besiedeln, brauchte man eine Familie. Dieser Gedanke mochte auch
einige der jungen Frauen im Tross bewegen. Entehrte vielleicht, die in der
Heimat nicht mehr auf eine gute Partie hoffen konnten, aber an der Front, nach
einem Sieg, die Gunst eines neuen Helden erringen mochten.
    Der Tempel der Mondmutter stattete seine Delegation prachtvoll aus.
Selbst die Wagen, die Zelte und Hausrat der Fürsten mit sich führten, kamen der
Pracht nicht gleich, mit der Ihre Gnaden Winena reiste. Ihr Gefährt wurde von
sechs Schimmeln gezogen, edlen Tieren, die kaum jemand in ein Geschirr gespannt
hätte, hätten sie doch jedem Reiter Ehre gemacht. Bronzeschuppen schmückten sie
an Hals und Flanken, bemalt in den Farben der drei Monde. Der Wagen selbst war
im zarten Blau Vejatas gehalten, der am Nachthimmel kaum größer war als ein
Stern und dennoch auf die Gezeiten der Magie ebenso großen Einfluss hatte wie
seine beiden Geschwister. Winenas Kutsche nahm die gleiche Fläche ein wie ein
kleines Haus, was dazu führte, dass auch sechs Rosse sie nicht geschmeidig
bewegen konnten. Deswegen wurde sie von kräftigen Tempeldienern begleitet, die
ständig in die Speichen der zwölf Räder griffen, um ihnen zusätzlichen Schwung
zu verleihen. Als sei sie ein Flaggschiff, war sie von den kleineren Gefährten
des Tempels umgeben. An einem davon war Helions Pferd angebunden, ein
ockerfarbener Falbe. Auf dem Weg von Akene hatte er versucht, das Tier mit
süßen Rüben für sich zu gewinnen. Immerhin hatte es ihn nicht abgeworfen,
obwohl es sich zuweilen als widerspenstig erwiesen hatte. Pferden, die ihre
Reiter in den Kampf tragen sollten, durfte man den Willen nicht gänzlich
brechen, sonst wurden sie wertlos, weil sie beim ersten Widerstand durch
gegnerische Krieger ausbrachen und ihr Heil in der Flucht suchten.
    Helion grüßte Phaistor, den Ritter, der das Kommando über die Wache
der Priesterinnen führte. Er war ein alter Mann, der darum gebeten hatte, sein
Leben außerhalb der sicheren Grenzen Ilyjias beschließen zu dürfen. Hier war er
nicht glücklich geworden. Leicht konnte man einen Haudegen von einem
Schlachtfeld holen, aber das Schlachtfeld aus einem Haudegen herauszubekommen,
war schwierig. Der rot geschwollenen Nase sah man an, dass Phaistor im Alkohol
einen Verbündeten gesucht hatte bei dem Versuch, sich mit seinem Schicksal
auszusöhnen. Vielleicht würde er ihn nicht mehr benötigen, wenn sie erst eine
Woche auf dem Marsch wären.
    Als er den Sitz seiner Waffen am Sattel des Pferdes prüfte, sah
Ajina aus dem kleinen Wagen hinaus, in dem Helion auch ihren Vater wusste. Er
zog die Verschnürung des Wasserschlauchs nach.
    »Endlich geht es los.« Ajinas Stimme zitterte.
    Er vermied es, in ihre strahlend blauen Augen zu blicken.
Stattdessen zog er eine Distel aus dem Fell des Falben.
    »Wollt Ihr mir nicht endlich sagen, wofür ich mich entschuldigen
muss, damit Ihr wieder mit mir redet?«
    Er räusperte sich. »Ich tue nur meinen Dienst, Adepta.«
    »Adepta? Ihr kennt doch meinen Namen! Warum nennt Ihr ihn nicht?«
    »Wie Ihr wollt, Ajina.«
    Sie seufzte. »Wenn Ihr es wünscht, werde ich ein Wort für Euch
einlegen, damit Ihr diesen Kriegszug nicht begleiten müsst. Ich stehe auf gutem
Fuß mit einigen Priesterinnen, vielleicht können sie erwirken, dass Eure
Befehle geändert werden.«
    »Mit meinen Befehlen ist alles in Ordnung.«
    »Und warum seht Ihr dann aus, als hättet Ihr in eine Zitrone
gebissen?«
    »Man kann nicht jeden Tag fröhlich sein.«
    »Wohl wahr, aber anscheinend könnt Ihr jeden Tag unglücklich sein.«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Helion, nun sagt mir endlich, was ich falsch gemacht habe!«
    »Nichts. Außerdem steht mir ein Urteil über das Verhalten einer
Adepta nicht zu.«
    »So demütig sind nur wenige Paladine.«
    »Es täte unserer Zeit gut, einige Regeln früherer Tage neu zu
entdecken.«
    Mit einem Ruck zog sie den Vorhang des Wagens zu.
    Helion

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