Feind
trieben ihre Schulden gnadenlos ein.
»Ihr müsst vorsichtiger sein, Modranel.«
»Und wenn ich das nicht bin? Wollt Ihr mich dann aus diesem Heerzug
entfernen?« Er lachte spöttisch, was sein Gesicht im spärlichen Schein der
Laterne verdunkelte. »Dann könnt Ihr die gesamte Unternehmung absagen. Wollt
Ihr das?«
Helion ballte die Fäuste, schwieg aber.
»Das dachte ich mir. Wenn Ihr von einem alten Mann einen Rat
annehmen wollt, deutet nichts an, was Ihr nicht durchführen könnt. Wenn Ihr
aber etwas gegen jemanden unternehmen wollt, dann sprecht erst recht nicht
darüber. Nur Dummköpfe berauben sich so des Vorteils der Überraschung.«
»Wir sind keine Feinde, Modranel.«
»Nun, herzliche Freundschaft verbindet uns jedenfalls nicht. Wie
auch, wenn Ihr einen Mann Euren Meister nanntet, dem ich schon vor Jahrzehnten
seine Unfähigkeit vor Augen führte?« Er beobachtete den Paladin interessiert,
als sei dieser ein Frosch, den er für sein Laboratorium gefangen hatte. Seine
Augen waren von dem gleichen strahlenden Blau wie Ajinas.
Mühsam zwang Helion die Zähne auseinander. »Warum sucht Ihr Streit?«
Modranel legte den Kopf schief. »Weil es wenigstens für einen Moment
die Langeweile vertreibt?«, schlug er vor. »Seit drei Jahren lebe ich im
Verborgenen, seit einer Woche habe ich die Sonne nicht gesehen. Kein Wunder,
dass ich mich allmählich wie ein Untoter fühle.« Er lachte. »Ihr solltet Euer
Gesicht sehen, Paladin! Wenn lockere Reden Euch so entsetzen, werdet Ihr nach
Riechsalz verlangen müssen, wenn wir erst im Land der Schatten sind.«
Helion atmete tief durch. »Worüber habt Ihr Euch dort draußen so
amüsiert? Seht Ihr gern Menschen leiden?«
»Manchmal, das gebe ich zu. Aber vor allem ist es zum Brüllen
komisch, dass diese verzärtelten Ilyjier denken, sie können neben Barbaren
marschieren, als wäre es ein Spaziergang auf den Straßen von Akene.«
»Dann waren es die Krieger aus Bron, die ihnen das angetan haben?«
»Sie haben mit ihnen gespielt. Hätten sie ihnen etwas antun wollen,
dann würden sich diese Püppchen nun nicht mehr beschweren können.« Er beugte
sich vor. »Wart Ihr jemals außerhalb von Ilyjia? Nein? Das dachte ich mir. Die
Welt ist rau dort draußen.«
»Ihr seid viel herumgekommen, wie man sagt.«
»Oh, bitte! Ich dachte, wenigstens dieses höfische Herumgeschleiche
bliebe mir von Euch erspart. Fragt schon, was Euch interessiert, Mondschwert!
Ja, ich war in Ondrien. Ein paar Monate lang. Und nein, ich bin kein Knecht der
Osadroi.«
»Das zumindest glaubt Euch der Ordensmarschall, sonst hätte er uns
nicht auf diese Mission geschickt.«
»Euer Ordensmarschall hat mir gar nichts zu sagen. Ich habe meine
eigenen Gründe. Dass er einen grünen Jungen zu meinem Schutz befohlen hat,
lässt mich allerdings bezweifeln, dass der gute Giswon stärker am Erfolg
unseres Vorhabens interessiert ist als an meinem Tod.« Er lachte meckernd.
»Immerhin habe ich einen Schattenherrn für seine Untaten zur
Verantwortung gezogen.«
»Untaten? Was weiß jemand, der so behütet gelebt hat wie Ihr, von
Untaten? Ich könnte Euch von Begebenheiten berichten, deren Kenntnis Euch die
Nächte durchwachen ließe.«
»Zweifellos seid Ihr für einige dieser Vorkommnisse selbst
verantwortlich.«
»Ich habe niemals ein Geheimnis aus meiner Vergangenheit gemacht.«
»Ich begreife nicht, wie Ajina Euch vergeben konnte«, sagte Helion,
bevor er seine Worte erwogen hatte.
Er bildete sich ein, im unsicheren Schein der Kerze ein bitteres
Lächeln zu erkennen. »Das wenigstens haben wir gemeinsam. Ihr gleicht also doch
ein wenig mehr mir als meiner Tochter.«
»Den Göttern sei Dank irrt Ihr Euch. Es gibt nicht viel, was uns
verbindet.«
»Nun, zumindest bringen wir beide mehr Verständnis für Hass auf als
für Vergebung. Liebe, ja, die ist noch zu verstehen. Sie ist der Gier verwandt.
Man will etwas besitzen, etwas an sich reißen. Aber wenn jemand verzeiht …« Er
schüttelte den Kopf. »Fast schon beleidigend unverständlich, nicht wahr?«
Helion hatte nicht vor, sich weiter auf dieses Wortgefecht
einzulassen. Er wollte so wenig wie möglich an Ajina denken. »Bleibt nur zu
fragen, inwiefern Ihr wünscht, dass Eure Zukunft Eurer Vergangenheit gleicht.«
Seine blauen Augen wurden zu Schlitzen. »Vielleicht werdet Ihr die
Antwort auf diese Frage finden, Paladin. Aber seid Euch nicht zu sicher. Ihr
wart zu sechst, als Ihr den Osadro stelltet, wie ich hörte. Er war jung und Ihr
habt
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