Feindberührung - Kriminalroman
dem Bürostuhl herumzurutschen.
» Kommen Sie, Herr Blum. Er ist ein Arschloch.«
Es blieb einen Moment still am Telefon.
» Zweifellos ein Riesenarschloch, Frau Svoboda.«
Therese musste grinsen, ihr Herz hüpfte.
» Aber ein sehr guter Strafverteidiger. Leider. Wie geht es Ihnen?«
» Ach, ich bin okay damit, Grewe war … na ja, ziemlich sauer.«
» Verständlich. Äh …«
» Ja?«
» Nun ja, ich meinte mit meiner Frage eher Ihren allgemeinen Zustand. Nach den Ereignissen der letzten Woche.«
Thereses Gesicht wurde ganz warm, errötete sie etwa?
» Das ist nett, dass Sie fragen. Es geht erstaunlich gut. Ich war bis jetzt zweimal beim Polizeipsychologen, und Herr Doktor Grassel findet, ich mache mich gut.«
» Da hat er fraglos recht, Frau Svoboda. Sie sind eine bemerkenswerte Frau. Aber überfordern Sie sich bitte nicht. Seien Sie gründlich und achtsam mit Ihrer Seele. Es wäre … schade.«
Therese spürte, dass ihr ein paar Tränen kommen wollten. Sie räusperte sie weg.
» Haben Sie vielen Dank, Herr Blum. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich gehe weiter zu Grassel. Bis er mich für geheilt erklärt.«
Den Schluss verlachte sie ein bisschen.
» Sie sind nicht krank. Ihnen wurde Gewalt angetan. Das war krank.«
» Ach, Herr Blum.«
Blum sagte nichts.
Sie würden Perschel also laufen lassen müssen, das war wohl keine Frage. Grewe ging mit raschen, weit ausholenden Schritten. Manchmal sahen ihm Leute nach.
Bevor sie auch nur das Geringste im Fall Rems in der Hand hatten, mussten sie ihren einzigen und besten Tatverdächtigen laufen lassen. Drewniok war ihnen allen egal. Sie kannten ihn nicht, er war offensichtlich Berufsverbrecher gewesen, und erschossen zu werden war ein Risiko, das für solche Typen einfach zum Job gehörte. Der tote Russe in Hannover war ihr Ticket gewesen, vom Schicksal in die Hände der Polizei gelegt, und Therese hatte dafür bezahlt. Es war Glück im Unglück, Kollege Zufall.
Und genauso schnell war nun alles wieder weg. Sie hatten nichts mehr. Nur Perschels Fingerabdrücke auf einem Magazin und einer Patrone, die beide zur Tatwaffe passten. In Drewniok waren sechs Patronen gelandet, das Magazin des Colt 1911 fasste sieben, eine war noch drin. Drossel hatte erklärt, dass er anhand von Rückständen am Magazin zwar würde belegen können, dass Munition daraus verfeuert worden war. Aber er konnte nicht beweisen, dass dieses Magazin tatsächlich jemals in der Tatwaffe gesteckt hatte, genau so wenig konnte er belegen, dass Perschel die Tatwaffe jemals in der Hand hatte.
Damit und mit Samantha Rems’ Aussage kam Perschel nur noch als Mitwisser bei dem Mord an Drewniok infrage. Sie konnten ihn als Zeugen vorladen und grillen, aber er würde nichts sagen.
Und selbst wenn ihnen jetzt plötzlich im Fall Rems etwas gegen den Rockerboss in die Hände fiele, dann hätte das keine aufschiebende Wirkung. Es waren zwei unterschiedliche Verfahren. Sie müssten einen neuen Haftbefehl erwirken und ihn dann wieder festnehmen.
Der Garnisonsplatz kam in Sicht. Aus dem Augenwinkel nahm Grewe einen Elektronikmarkt wahr. Der Voicerekorder. Wenigstens mal gucken, was so was kostete.
Hinter der Automatiktür verursachte ihm die überheizte Luft sofort einen Schweißausbruch. Er knöpfte den Mantel auf, lockerte den Hemdkragen und ging durch die Klappschranke. Proppenvoll, der Laden, viele Schüler. Grewes Blick flog unkoordiniert über die Leuchtreklamen an der Wand und die Schilder, die von der Decke baumelten. Er fand sich in solchen Geschäften einfach nicht zurecht. Und nie gab es einen freien Verkäufer …
Grewe irrte schwitzend durch die Gänge, Computer, DVDs, Faxgeräte, Kabel, Kopfhörer, Satellit-irgendwas-Anlagen.
Er wurde wieder wütend. Der Spaziergang, das Essen, die ganze Wirkung war verpufft. Scheißladen.
Halt … Nein, irgendwelche MP 3 -Player.
Grewe blieb einfach davor stehen und guckte sich die Geräte an, ohne etwas zu sehen.
Was er wirklich sah, war Samantha Rems, wie sie heute Morgen am Tisch saß. Ein Schatten, ein gehetztes Tier.
Was hatten die verdammten Dreckschweine nur mit ihr gemacht?
Therese sah verunsichert auf ihr Handy. Diesmal war bei Grewe sofort die Mobilbox angesprungen. Hatte er jetzt das Gerät ganz ausgeschaltet? Sie hatte solche Situationen schon mit ihm erlebt. Dass er aus Frust und Ärger einfach abtauchte, einen ganzen Tag lang nicht aufzufinden war.
Sie seufzte. Dabei war eine Menge zu tun. Sie durften sich jetzt nicht hängen lassen,
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