Feindberührung - Kriminalroman
Mist erzählt?« Estanza kaute mit offenem Mund Kaugummi.
» Sie hat mir einen Kontoauszug vorgelegt mit der Kreditkartenabrechnung für einen Rückflug von Marseille. Am …«, Therese schaute ins Protokoll, »… vierzehnten Juni.«
» Aber für die Reise runter gibt’s nix, oder?«
Estanza war echt süß, wenn er schlau sein wollte, fand Therese.
» Nein, sie waren im Pulk per Motorrad runtergereist.«
» Na, kann Sie doch viel erzählen.« Estanza ganz engagiert.
» Tony. Wir reden hier über die Frau, die der Meinung ist, dass einer von diesen Drecksäcken ihren Mann umgelegt hat. Sie hat wohl keinen Grund, Perschel per Falschaussage zu entlasten.«
» Aber wir gehen doch davon aus, dass die sie bedroht haben, oder irre ich mich?«
Er schaute in die Runde. Die gesamte SoKo Rems war versammelt. Grewe saß mit Therese am Kopf des Tisches und hörte ihr mit schief gelegtem Kopf aufmerksam zu.
» Erstens haben wir dafür keinerlei Hinweis, nur Vermutungen. Frau Rems selbst hat das vehement bestritten.« Therese hob die Hand, um abzuzählen. » Zweitens hat Frau Rems nachvollziehbar dargelegt, warum sie jetzt aussagt. Und drittens hat sie mir außerhalb des Protokolls immerhin ein paar interessante Dinge über den Grund der Reise erzählt.«
Nun hatte sie die ganze Aufmerksamkeit, selbst Estanza hielt den Mund geschlossen und sah sie konzentriert an.
» Als Samantha Rems, geborene Gießwenner, ihren späteren Mann Lars achtundneunzig kennengelernt hat, war sie die Freundin von – Mike Perschel.« Eine Welle ging durch die SoKo-Runde.
» Scheiße«, entfuhr es Fuchs.
» Jawohl, Scheiße«, bestätigte Therese. » Damals war Perschel noch nicht Präsident der Skulls, sondern erst Anwärter.«
» Schnelle Karriere dann …«, sinnierte Drossel.
Therese nickte.
» Offensichtlich gab es da eine Art Deal zwischen Rems und Perschel. Die Skulls waren damals ein schlapper Verein. Zur selben Zeit wie Rems waren eine Menge ganz junger Typen dazu gestoßen, und die bildeten dann Perschels Truppe für den Weg nach oben. Frau Rems sagt, ihrer Meinung nach war die Unterstützung der Preis, den Lars für sie zu zahlen hatte. Einem › Hangaround ‹ wie Rems hätte ein › Prospect ‹ wie Perschel niemals durchgehen lassen dürfen, dass der ihm die Frau ausspannt. Nur der desolate Zustand der Gang und die vereinte Power der Newbies für Perschel haben das glimpflich ablaufen lassen.«
» Solche Scheißmachos!«
Claudi meldete sich empört zu Wort, Estanza klimperte neben ihr mit den Augendeckeln. Therese verkniff sich einen Kommentar und fuhr fort.
» Einer der nicht mehr ganz so Jungen damals war übrigens unser Freund Schönlein bezettwee Wolfe, wie Samantha Rems erzählte. Zu der Zeit hatte er noch halbwegs gesunde Zähne, keine Wampe und deutlich mehr funktionierende Synapsen im Oberstübchen als heute. Er wäre selbst gerne Präsi geworden, musste dann aber einsehen, dass er nur die fertigen alten Säcke hinter sich bringen würde. Also ist er widerwillig umgeschwenkt.«
» Echte Blutsbrüder, unsere Rocker, wie?« Fuchs mit seiner unerschöpflichen guten Laune.
» Was war denn nun mit dem Frankreichurlaub?«, kam Grewe zum Punkt.
» Richtig.« Therese setzte sich zurecht. » Wir wissen ja, dass Lars Rems im fraglichen Zeitraum zweitausendfünf in Afghanistan war. Sein zweiter Einsatz. Er war damals in einer Aufklärungskompanie. Die haben Operationen von Spezialtruppen mit vorbereitet und abgesichert. Deutsche und andere Nato-Armeen. Genaues wusste seine Frau nicht, aber sie wusste, dass das alles gefährlich war. Und dass ihr Mann es genau deswegen auch machte.«
Therese trank einen Schluck Kaffee.
» Kevin war damals etwa eineinhalb Jahre alt. In den ersten fünfzehn Monaten hatte er zig Mittelohrentzündungen, das war wohl hammeranstrengend. Und sie war immer allein mit allem, die Einsatzvorbereitung hatte sich auch schon über Monate an fremden Standorten hingezogen. Dazu dann die ständige Sorge um ihren Mann. Der konnte nur alle paar Wochen mal von sich hören lassen. Furchtbar also. Die Familienbetreuung der Bundeswehr war damals noch nicht so gut, die engen Kameraden waren sowieso alle mit Rems im Einsatz. Die Frauen unterstützten sich, wo es ging, aber na ja. Und Perschel hat sich gekümmert, hat oft gefragt, brauchst du was? Klar brauchte sie. Was reparieren hier, was Schweres transportieren da. Haben die Skulls wohl auch anstandslos gemacht, sagt sie.« Therese unterbrach. » Ich brauche
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