Feindberührung - Kriminalroman
Schlagwerkzeugen oder Messern selten groß.
Grewe bog auf den Parkplatz von Nummer vierzehn ein. Er erkannte neben einem Streifenwagen das Auto von Dr. Lyske, dem Rechtsmediziner, und den blauen Transporter der Kollegen von der Tatortbereitschaft. Ansonsten standen auf der großen Fläche noch genau vier Autos, alle in schlechtem Zustand. Wo sah man heute noch alte Autos? Kaum hatte ein Achtzehnjähriger eine Probeanstellung als Hilfslagerist, gab irgendeine Direktbank doch gerne den ersten Sofortkredit ohne Eigenkapital für den Erwerb einer hochmotorisierten Stereoanlage.
Vor Jahren hatte Grewe sich mal einen Fernsehkrimi angeschaut. Grund dafür war einzig und allein, dass der Film hier, in seiner Stadt, gedreht worden war. Einige Szenen spielten auf der Sinzler Höhe; Grewe wusste nicht mehr, in welchem der vier Hochhäuser.
Als die beiden Fernsehkommissare vor dem Gebäude ankamen, standen ein paar Jungendliche in nicht gerade billig aussehenden Hip-Hop-Klamotten um einen getunten Flunderwagen rum. Zwei fummelten am Motor, die anderen rappten und tanzten zu lauter Musik aus einem riesigen Ghettoblaster, und weil es schon Abendstimmung war, brannte doch tatsächlich ein Ölfass, einfach so.
Grewe hatte vor dem Fernseher aufgestöhnt.
» Wenn die Leute da oben Geld für Autos, Musik und lässige Klamotten hätten, wenn die in der Lage wären, Autos zu tunen, dann gäb’s doch die Probleme gar nicht, die wir mit denen haben. So ein Scheiß.«
Während die Polizeischauspieler ganz cool aus dem sehr neuen und sehr großen Dienstwagen stiegen, bekam man den Eindruck, sie hätten akute Verdauungsprobleme, so verkrampft tough bewegten sie sich. Die Rapper guckten alle finster, und der, der am weichlichsten aussah, aber am bösesten schaute, baute sich vor den beiden auf. Grewe war vom Sofa aufgestanden und in die Küche gegangen, er hatte furchtbaren Hunger bekommen, obwohl das Abendessen erst zwanzig Minuten her war.
Der Thereseflitzer stand nun neben dem Transporter, und Grewe stapfte im Schnee auf den Streifenwagen zu, darin die zwei Kollegen, die die Leiche gefunden hatten. Das Fenster der Fahrertür senkte sich.
» Grüß euch.«
» Grüß dich, Grewe. Ist gefährlich, hier so ein schickes Auto zu parken. Sozialneid, weißte?«
» Aber die Polizei passt doch auf«, grinste Grewe. Er kannte Polizeikommissar Claus-Peter Wolf schon ewig, sie waren etwa gleich alt.
» Ich rede ja von meinem Sozialneid. Ich fahre einen sieben Jahre alten Kleinbus.«
» Niemand hat dich gezwungen, fünf Kinder in die Welt zu setzen.«
» Meine Frau ist sehr schön.« Wolf lächelte.
» Das stimmt, Wolf. Das stimmt. Und alle fragen sich, was sie eigentlich bei dir hält.« Sabine Wolf sah mit sechsundvierzig aus wie Cher mit dreißig. Eine Indianerin, groß, geschmeidig und zupackend.
» Deswegen fünf Kinder. Sie hat keine Zeit, darüber nachzudenken.« Wolf lachte und schlug aufs Lenkrad.
Grewe öffnete die hintere Tür und stieg in den überheizten Wagen. Es hatte noch Zeit, in die Wohnung zu gehen, die Kollegen von der Tatortbereitschaft ließen ihn jetzt sowieso nicht rein, und der erste Eindruck eines erfahrenen » Sheriffs«, wie die alten Streifenrösser allgemein genannt wurden, war immer von Interesse.
» Tag, Bernie.« Grewe gab dem zweiten Beamten die Hand, während er auf die rechte Seite des Fonds rutschte.
» Jep«, kam als knappe Antwort. Bernd Kessler war kein gesprächiger Typ.
» Wie sieht’s aus?«, fragte Grewe.
» Scheiße sieht’s aus. Der Typ liegt in einer total versifften Bude, zig Messerstiche, alles voller Blut. Der ist aus seinem Rollstuhl gerutscht, hat ganz verkrümmt darunter gelegen, und ich musste dreimal gucken, bis ich kapiert habe, dass dem beide Unterschenkel fehlen. Arme Sau. Keine Beine, keine Kohle und dann noch so verrecken.«
» Wer hat euch gerufen?«
» Nachbar. Man mag es nicht glauben.«
» Stinkt er schon?«
» Nein, ist noch ganz frisch. Ich behaupte mal, dass der höchstens einen Tag da liegt. Es gab Lärm in der Nacht, aber deswegen hatte der Nachbar sich nicht beunruhigt, das ist wohl dauernd so gewesen. An der Tür außen sind Blutschmierer zurückgeblieben, das war dem Nachbarn dann doch zu viel. Der Schlüsseldienst wollte die Tür partout nicht anfassen, deswegen ist uns nichts übrig geblieben, als sie aufzubrechen. Sah vorher aber völlig intakt aus, Bernie hat’s noch fotografiert für euch, dann rummsdibumms.«
» Okay. Irgendwas auffällig auf den
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