Feindberührung - Kriminalroman
er ist ohne Bewusstsein, muss ruhen. Mittelgradige Hypothermie, dazu die Gesichtsverletzungen. Dem Notarzt hat er aber noch was von › verfickte Soldatenarschlöcher ‹ und › scheißkalte Hütte ‹ und › ein Killer, ein echter Killer ‹ vorgefaselt.«
Therese verzog das Gesicht.
» Was soll das alles sein?«
Grewe machte einen Rundblick, dann beugte er sich näher zu Therese.
» Großbleidesdorf grenzt unmittelbar nördlich an den Truppenübungsplatz. Ich kenne sogar die Bushaltestelle. Bei Durchschlagübungen gab’s immer wieder so Schlaumeier, die von da mit dem Bus bis kurz vor die Kaserne gefahren sind, statt zu laufen. Von da aus sind’s knapp zehn Minuten zu Fuß zu einem Gehöft, das als Übungsstellung genutzt wird. Betonböden, Betonwände, offene Fensterhöhlen, keine Türen. Und da ist außerhalb von Grundausbildungen nie jemand. Ideal zum Verstecken und jetzt todsicher eine › scheißkalte Hütte ‹ .«
» Was sollen wir machen?«
» Ich denke, wir lassen hier alles weiterlaufen und fordern Verstärkung an. Wir gucken nach.«
» Aber wenn der denen abgehauen ist, dann sind die doch auch weg?«
» Ich glaub nicht, dass er abgehauen ist. Jemand hat ihn richtig fest in die Decken eingepackt, sagte der Kollege. Und dieser Jemand hat Perschel dort abgelegt, damit er gefunden wird.«
Therese nickte.
» Aber wer?«
» Ich weiß nicht. Für mich steht außer Frage, dass für den Überfall und die Entführung nur Soldaten dieser Einheit infrage kommen. Ob die irgendwas aus ihm rausgeprügelt haben? Ein Geständnis bezüglich Rems? Und ihn dann einfach da abgelegt haben?«
» Von wegen Mission accomplished?«
Grewe zuckte mit den Schultern.
Therese dachte nach.
» Aber dann sind sie auch weg. Vielleicht finden wir wenigstens Spuren, Beweise für die Entführung.«
» Ja, das zumindest. Oder …«
Grewe zögerte, war das jetzt ein dummer Gedanke?
» Was? Sag einfach.«
» Vielleicht ist es wie mit Celik und den Rockern. Jemand hatte die Soldaten wegen der Entführung auf dem Kieker und, siehe da, befreit Perschel.«
» Aber wenn das welche von seinen Jungs gewesen wären, hätten sie ihn mitgenommen und nicht irgendwo in die Landschaft gelegt.«
» Das stimmt. Heißt, es gibt möglicherweise noch eine weitere Partei im Spiel.«
Grewe rieb sich die Stirn, das ganze Gesicht. Kopfschmerzen waren im Anflug, er hatte Hunger, und war übermüdet.
» Herrgott noch mal, ist das alles kompliziert.«
Therese sah zu, wie Grewes Gesicht vom Reiben immer röter und röter wurde. Er sah nicht gut aus, immer noch verheult und müde. Sie hatte ihn in all den Jahren eigentlich immer eher gelassen erlebt, abgeklärt, gefestigt. Sicher, er hatte eine explosive Seite, was man auf den ersten Blick nicht glauben wollte, aber die zeigte sich eher privat, sehr selten nur im Job.
Dieser Fall nahm ihn wirklich mit. Die Erinnerungen mussten ihn furchtbar gequält haben. Würde es ihr auch so gehen mit ihren Erinnerungen? Auf jeden Fall konnten sie nicht ewig hier stehen und überlegen, sie mussten etwas entscheiden. Therese erwischte den Zipfel eines Gedankens und hielt ihn fest, zog ihn näher zu sich.
» Grewe?«
» Ja?«
» Wenn wir davon ausgehen, dass einige der Entführer jetzt gerade hier in der Kaserne sind und wir weiter davon ausgehen, dass niemand weiß, dass Perschel schon frei ist, außer die Entführer haben ihn selbst freigelassen …«
» Ja?«
» Dann müsste doch in diesem angenommenen Fall jemand hier aufgeschreckt werden durch die Nachricht, dass Perschel wieder da ist, oder?«
» Das stimmt. Ja.«
» Wenn wir also zu diesem Haus fahren und wirklich Anzeichen finden, dass Perschel dort festgehalten wurde, dann wäre es doch sinnvoll, die frohe Botschaft zu streuen und dort abzuwarten, ob dort jemand nachgucken kommt.«
Sie sah Grewe an, zweifelnd, ob das eine gute Idee war.
» Aber wenn die schon längst wissen, dass ihnen jemand Perschel geklaut hat und das heute einfach überspielen?«
» Na, dann erzählt uns vielleicht morgen oder übermorgen Perschel, was passiert ist, oder wir stoßen heute auf Kameraden, die ein bisschen ramponiert sind, weil sie den Rocker nicht freiwillig hergegeben haben, oder wenn die ramponierten heute fehlen, dann kriegen wir das auch mit … Ach, ich weiß doch auch nicht. Wir müssen irgendetwas tun, findest du nicht?«
Grewe lächelte sie an.
» Doch. Absolut. Wir haben nichts zu verlieren. Vielleicht ist das jetzt eine Chance. Ich rufe
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