Feindberührung - Kriminalroman
Notizblock.
» Macht nix, wir sind doch mit wenig zufrieden«, feixte der Kollege Fuchs in die Runde. » Beim ersten Mal …«, setzte er noch nach. Therese verbarg schnell ihr unwillkürliches Grinsen hinter der Hand.
» Ja. Gut.« Estanza war eingeschnappt, aber das half ihm, sich zu überwinden.
» Tür zu Tür hat mit unendlich viel Geschwätz ergeben, dass niemand in dem Haus Konkretes über den Toten weiß, außer besagtem Konopke aus der Wohnung links von Rems, aber der weiß auch nicht gerade viel. Lars Rems wohnte seit etwa einem halben Jahr da. Er hat Konopke mal erzählt, dass er Soldat war und die Unterschenkel im Einsatz verloren hätte. Das ist aber noch nicht überprüft. Es gab wohl viel Rein und Raus bei Rems, laut Konopke meist › Kroppzeug ‹, und laut ging’s auch oft in der Bude zu. Ich denke mal, das passt ganz gut zu den ganzen Dealerutensilien, die Gerd gefunden hat. Niemand weiß, ob Rems den ganzen Tag in der Wohnung war. Keine verwertbaren Wahrnehmungen zur Tatzeit. Konopke war mal wach, wegen Geschrei, hat sich aber nichts weiter dabei gedacht und weitergeschlafen. Zur Uhrzeit kann er keine exakten Angaben machen. Er ist halb zwölf schlafen gegangen, halb acht aufgestanden, und zum fraglichen Zeitpunkt war es stockfinster draußen. Die Kollegen von der Hundertschaft haben sich in der direkten Umgebung des Hochhauses umgesehen, aber nichts gefunden. Der oder die Täter sind also vermutlich einfach auf dem öffentlichen Weg per Fahrzeug oder zu Fuß geflüchtet. Tja.« Estanza sah sich in der Runde um.
Fuchs zwinkerte ihm zu und streckte die nach oben geöffneten Handflächen aus. Grewe nickte mehrmals zustimmend.
» Danke, Tony. Mehr wäre Glück gewesen. Hast du mit der Staatsanwaltschaft gesprochen?«
» Oh. Na klar, hab ich jetzt nur vergessen zu erzählen.« Tony Estanza wurde ein bisschen rot.
» Macht doch nichts. Also?«
» Der Jourstaatsanwalt war kurz da und hat sich alles angesehen. Sektion wird angeordnet, und Ermittlungsverfahren ist eröffnet. › Man sieht sich dann in der Rechtsmedizin ‹ , meinte er bloß.« Tony sah fragend in die Runde, ob das als Information ausreichend war. Grewe nickte und verschränkte die Arme auf dem Tisch.
» Prima. Dann sind Therese und ich dran. Therese?«
» Gerne.« Therese hatte sich beim Zuhören tief in den Stuhl sinken lassen. Jetzt setzte sie sich auf und schob ihre Unterlagen zurecht.
» Wir waren am Nachmittag bei der Witwe, Samantha Rems. Sie lebt mit dem gemeinsamen Sohn Kevin in dem Haus, das früher ihr und ihrem Mann gehörte. Bei der Trennung hat er seinen Anteil an sie überschrieben. Zuerst mal die biografischen Sachen. Rems war tatsächlich Berufssoldat, Dienstgrad Oberfeldwebel, Alter einunddreißig. Er gehörte zu den Fallschirmjägern hier am Ort.« Sie schaute auf ihre Notizen. » Vor etwas mehr als einem Jahr verlor er infolge einer Minenexplosion in Afghanistan beide Unterschenkel. Die Bundeswehr hätte ihn wohl behalten, im Innendienst oder wie das dort heißt, aber das war nichts für ihn. Muss ein wilder Hund gewesen sein. Eine Kfz-Lehre hat er mit Ach und Krach geschafft, was wohl überhaupt nicht am Fachlichen lag, sondern am Sozialverhalten. Seine Frau hat ihn noch vor der Bundeswehr im Rockerumfeld kennengelernt. Er war, wie sie es ausdrückte, › Anwärter ‹ bei den » Skulls « , einer hiesigen Gang. Zum Bund kam er zuerst als Wehrpflichtiger, dann hat’s ihm Spaß gemacht, und er verpflichtete sich auf insgesamt zwölf Jahre. Vier Auslandseinsätze. Noch vor dem letzten Einsatz wurde er ins Berufssoldatenverhältnis übernommen. Seine Frau sagt, der Bund habe ihm gutgetan, er sei immer ruhiger geworden, und mit der Geburt des Sohnes hätte er dann die Treffen mit den Rockerkumpels ganz ausgesetzt.« Therese trank einen Schluck Wasser. » Nach dem Unfall aber macht er dann total dicht. Keine Therapie, kein Gespräch. Er quittiert den Dienst, nimmt die Abfindung und die Versorgungsleistungen, löst eine Versicherung ein und anstatt an den behindertengerechten Umbau des Hauses zu gehen, mietet er sich in der Sinzler Höhe ein. Geld und Haus gehen komplett an seine Frau, er lebt vom Mindestsatz. Lebte. Seine Frau sagt, er habe den Kontakt völlig abgebrochen, sich geweigert, den Sohn zu sehen. Aber immer wieder mal angerufen, wenn er dicht war. Nachts. Tja.
Die Frau hoffte, es werde sich alles legen, er müsse drüber weg und dann komme alles wieder ins Lot. Aber dann kriegte sie Besuch von
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