Feindberührung - Kriminalroman
Wohnküche. Und so hatte Grewe damals jeden Morgen schon die Frau sehen können, mit der er alt werden würde.
» Guten Morgen, Schatz. Hast du wenigstens gut geschlafen?«
» So gut das neben einem rotierenden Elefanten eben geht.«
Kichernd goss Stina sich eine Tasse Tee ein. Sie stellte die Kanne zurück auf das Stövchen und schaute Grewe in die Augen.
» Hab Quatsch gemacht, guck nicht so. Alles gut.«
» Was steht heute bei dir an?«
» Normaler Tag. Robert und Klara haben lange Schule, Lotta kommt mittags. Ich bereite den Abendkurs vor und hoffe, du kommst pünktlich heim.«
Grewe verzog das Gesicht.
» Reg dich nicht auf. Es ist kein Problem, die Großen sorgen schon dafür, dass alle zeitig in der Kiste liegen.« Stina stand auf, um die Pausenbüchsen für die Kinder vorzubereiten.
» Ich habe immer ein schlechtes Gewissen.« Grewe biss in sein Brot.
» Ja, schlechtes Gewissen ist dein zweiter Vorname.« Stina nahm die Butter vom Tisch. » Schatz, ich bin seit siebzehn Jahren mit einem Polizisten zusammen. Du machst alles so gut du kannst.«
Grewe hoffte, beim nächsten Streit würde Stina sich an das gerade Gesagte erinnern.
Um acht Uhr zehn setzte Grewe sich mit dem ersten Kaffee des Tages an den Kopf der Tischreihe im großen Büro. Die Kollegen nahmen das als klares Signal, dass die Frühbesprechung jetzt begann, und stellten die Gespräche ein. Grewe nahm die Armbanduhr ab und legte sie neben die Kaffeetasse.
» Na denn. Fangen wir mit Gerd an.«
Alle Blicke wandten sich dem Chef der Tatortbereitschaft zu.
» Tja, also ich geb euch einfach mal den groben Überblick, mehr habe ich selbst noch nicht.«
Alle nickten, Drossels Vorsicht bei Schlussfolgerungen war bekannt. Und am Tag danach konnte man spurentechnisch selten viel sagen.
» Lars Rems starb an den Folgen von insgesamt elf Stichen mit scharfer Waffe. Fundort ist auch Tatort. Die Stiche finden sich im Oberkörper und im Kopf- und Halsbereich, sie wurden kraftvoll ausgeführt, Genaueres nach der Sektion. Es gibt augenscheinlich Abwehrverletzungen an Armen und Händen. Neben der Leiche fand sich ein abgebrannter Joint. Wie berauscht das Opfer tatsächlich war und wie fähig oder unfähig zur Abwehr des Angriffs, wird uns dann auch erst Dr. Lyske sagen können. Meiner Meinung nach sieht es nicht nach einem heftigen Kampf aus. Es ist ein unklares Bild.«
Grewe schaute Drossel an.
» Inwiefern unklar?«
» Von der Körperkraft her war Rems ein ernsthafter Gegner. Wir haben, wie gesagt, Abwehrverletzungen, aber die Stiche sind alle mehr oder weniger frontal ausgeführt worden. Das heißt, Rems hat sich während des Angriffs nicht heftig bewegt, sonst hätten wir auch Stiche im Rückenbereich. Schon der erste Stich müsste seinen Überlebensinstinkt geweckt und ihn zur Abwehr getrieben haben. Also war entweder durch Rauschmittel seine Abwehrfähigkeit herabgesetzt, oder er starb schon an einem der ersten Stiche. Wir werden erst nach der Sektion klarer sehen.«
Grewe machte sich eine Notiz.
» Ich verstehe. Noch mehr?«
» Ja. Die Wohnung war ziemlich verwüstet, was aber nicht auf einen Kampf zurückzuführen sein dürfte, sondern eher auf eine hektische Durchsuchung. Wir haben auch eine Menge Blutantragungen an Griffen, Knäufen und diversen Gegenständen. Selbst an der Tür draußen, was ja diesen Nachbarn, Konopke, auch veranlasst hat, uns zu alarmieren. Allerdings fanden wir keinerlei Schuhspuren im Blut, da wurde wiederum gut aufgepasst. Was der oder die Täter gesucht haben, wissen wir natürlich noch nicht, aber ich habe eine Vermutung: Es fanden sich klassische Dealerutensilien wie Feinwaage, Plastiktütchenvorrat, vorgefaltete Papierbriefchen. Außer einer geringfügigen Menge Marihuana in der Tasche einer herumliegenden Trainingshose aber keine Drogen in der gesamten Wohnung. Auch kein Bargeld, bis auf die Münzen im Portemonnaie. Also möglicherweise einfach ein Raubmord im Milieu. Wir gehen gleich nach der Besprechung noch mal hin und machen weiter.«
» Danke, Gerd.« Grewe nickte Drossel zu. » Zum Thema Milieu haben Therese und ich dann gleich auch noch was. Hast du schon Kontakt mit Lyske gehabt wegen der Sektion?«
» Wird er heute nicht schaffen. Er meldet sich.«
» Gut, dann bitte ich den Kollegen Estanza.« Grewe machte eine auffordernde Handbewegung.
Estanza räusperte sich. Er war sichtlich nervös.
» Okay. Ehrlich gesagt, habe ich nicht viel.« Estanza knickte eine Ecke des obersten Blatts auf seinem
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