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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ziemlich offen gewirkt,
aber ich hatte längst gelernt, mich, was Menschen anging, bei meinen
Ermittlungen nie auf den ersten Augenschein zu verlassen.
    Ich verriegelte die Tür des MG und
blieb erst mal hinter dem Steuer sitzen, bis ich mich fahrtüchtig fühlte. Es
dauerte länger, als ich erwartet hatte — und das machte mich nur noch wütender.

20
    Ehe ich in meine Einfahrt einbog, fuhr
ich noch ein paarmal um den Block, um zu prüfen, ob irgendwo ein Wagen stand,
der dem glich, der mich beinahe über den Haufen gefahren hätte. Ich entdeckte
ein paar flache, hellfarbene Autos, aber keins davon stand so, daß man mein
Haus bequem im Blick gehabt hätte. Ich fuhr dennoch den MG sichherheitshalber
in die Garage, eilte ins Haus, machte Licht und hielt nach Spuren eines
eventuellen Eindringlings Ausschau. Aber es war niemand da, noch nicht mal
Mick. Noch ehe ich befinden konnte, ob seine Abwesenheit Grund zu anderweitiger
Sorge war, klingelte das Telefon. Ich rannte hin, weil ich dachte, es sei Gage
Renshaw, der mich zurückrief, nachdem ich vorhin von meinem Autotelefon die
Notfall-Nummer des RKI-Hauptquartiers in La Jolla angerufen hatte. Chuck
Westerkamps Stimme sagte: »Danke für den Tip mit der Wiederholungstaste.«
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich
kapierte, wovon er sprach. »Sie waren in Brenda Walkers Haus?«
    »Mm-hmm. Zwar auf nicht ganz legalem
Weg, aber in diesem Fall heiligt wohl der Zweck die Mittel. Ich habe das
Wählgeräusch auf Band genommen und dann später einem von meinen Leuten
vorgespielt, der ein Ohr für so was hat. Die Vorwahl war dieselbe wie Ihre. Ich
habe mit Pacific Bell gesprochen, und raten Sie mal, wem die Nummer gehört?
Ihrem Klienten.«
    Nicht gut. »Wie lautet die Nummer?«
    Westerkamp las sie vor. »Die Adresse
ist am Embarcadero in San Francisco.«
    »Seine Wohnung. Aber mit ihm kann
Brenda Walker nicht gesprochen haben. Er war nicht dort — schon länger nicht.«
    »Na ja, sie hat es auf jeden Fall
versucht.«
    »Vielleicht unmittelbar bevor sie und
Leon verschwunden sind. Ich nehme an, Sie haben immer noch keine Spur von ihnen?«
    »Nein, aber wir setzen Himmel und Hölle
in Bewegung, um sie zu finden.«
    Die nächsten zehn Minuten brachte ich
damit zu, meine Aktenmappe zu packen und die dreckigen Klamotten in meiner
Reisetasche durch frische zu ersetzen. Ich nahm meine 38er aus ihrem
abschließbaren Kästchen im Wäscheschrank und steckte sie in meine Handtasche.
Mick war immer noch nicht zurück, das ärgerte mich und machte mich gleichzeitig
nervös. Ich ging ins Gästezimmer und warf auch für ihn ein paar Sachen in eine
Tasche. Allie tauchte auf, sah die Tasche und verdrückte sich durch das
Katzentürchen. Beide Katzen hassen Reisetaschen mehr als alles andere, mehr
noch als den Rottweiler der Nachbarn; sie bedeuten einsame Zeiten.
    Das Telefon klingelte wieder; diesmal
war es Gage Renshaw. »Falls Sie Ripinsky suchen«, sagte er, »der ist wieder auf
der Ranch.«
    »Ich weiß. Ich wollte mit Ihnen reden.
Ich möchte Sie um ein paar Gefälligkeiten bitten.«
    »Ich habe Ihnen letztes Frühjahr
gesagt, wenn Sie was brauchen, sind wir für Sie da. Das Angebot steht noch. Und
wird immer stehen.«
    Ich sah Renshaw mit dem Telefon auf und
ab marschieren: die großgewachsene, schmale Gestalt ruhelos wie immer, das
relativ lange schwarze Haar verstrubbelt, die irrwitzig weiße Stirnlocke in die
Augen hängend. Er trug sicher wieder hoffnungslos zerknitterte Sachen, und die
Brille auf seiner Abe Lincoln-Nase war höchstwahrscheinlich an mindestens zwei
Stellen mit Klebeband oder Draht geflickt. »Danke, Gage«, sagte ich.
»Irgendwann haben Sie oder Dan mal erwähnt, Sie hätten eine Gästesuite hier in
der Stadt, für Klienten, deren Sicherheit gefährdet ist.«
    »Stimmt. Im obersten Stock unseres
Bürogebäudes in der Green Street.«
    »Ist sie im Moment belegt?«
    »Keine Ahnung, aber ich kann es
feststellen. Wenn ich Sie richtig verstehe, wollen Sie jemanden eine Zeitlang
aus dem Verkehr ziehen?« _
    »Ich will mich aus dem Verkehr
ziehen.«
    »Sharon, Sharon. In was für einen
Schlamassel haben Sie sich denn jetzt wieder reinmanövriert?« Es klang
amüsiert.
    »Nichts besonders Ernstes, aber ich muß
ein paar Tage abtauchen.«
    »Sie starten Ihre selbständige Karriere
wohl gleich mit einem Paukenschlag, was?«
    »Halb so wild.« Hoffentlich.
    »Na gut, ich rufe Sie zurück.«
    »Danke«, sagte ich noch mal. Im Schloß
der Vordertür drehte sich ein Schlüssel.

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