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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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abgeluchst, und jetzt ist sie losgerannt, um irgend etwas zu
tun, wovon ich mir gern einreden möchte, daß es unschuldiger Natur ist. Miss
McCone?«
    »Ja. Mr. Evans?«
    Er nickte und deutete auf den kurzen
Schenkel des Sofas. Während ich mich hinsetzte, musterte ich ihn. Groß,
athletisch, mit grauem Haar und jungenhaftem Gesicht, war er die Idealbesetzung
für die Rolle eines Architekten, der in einem solchen Haus lebte und eine
hübsche Tochter hatte, die ihm die Porsche-Schlüssel abschwatzte.
    »Tolles Haus«, sagte ich. »Haben Sie es
selbst entworfen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Meine
Spezialität sind reine Industriebauten. Ich wüßte gar nicht, wie man so ein
Haus plant, aber zum Glück habe ich einen Freund, der sich darauf versteht.
Kann ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee? Einen Drink?«
    »Gar nichts, danke. Ich weiß von T. J.
Gordon, daß Sie einer der besten Architekten für Hafenanlagen im ganzen Land
sind.«
    »Da überschätzt er mich. Beträchtlich.«
Aber er lächelte dennoch geschmeichelt.
    »Da war es natürlich ein schwerer
Schlag für ihn, daß Sie aus dem Hunters-Point-Projekt ausgestiegen sind.«
    Evans runzelte die Stirn, setzte sich
auf den anderen Schenkel des Sofas und nahm eine Zigarette aus der Packung in
seiner Hemdtasche. »Hat er Sie hergeschickt, damit Sie mich bitten, es mir noch
mal zu überlegen? Aber dazu braucht er doch keine Detektivin.«
    »Nein. Mr. Gordon hat mich im August
beauftragt, Vorfällen nachzugehen, bei denen es sich offenbar um eine Reihe von
Einschüchterungsversuchen handelt.«
    Nate Evans drehte die Zigarette
zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her und nahm dann ein Feuerzeug vom
Couchtisch. »Stört es Sie, wenn ich rauche?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Er zündete sich die Zigarette an und
sagte dann: »Könnten Sie etwas genauer sagen, was es mit diesen Einschüchterungsversuchen
auf sich hatte?«
    Ich erklärte es ihm, unter besonderer
Betonung des Punkts, daß er und noch zwei andere Leute sich am selben Tag aus
dem Projekt zurückgezogen hatten.
    Als ich fertig war, drückte Evans mit
nachdenklicher Miene seine Zigarette aus. »Wissen Sie, diese Sache mit meinem
Ausstieg aus dem Projekt liegt mir schon die ganze Zeit auf der Seele, seit Gordons
Frau umgekommen ist. Vielleicht hätte ich ihm gegenüber offener sein müssen,
was meine Gründe betraf. Vielleicht... Aber das nützt jetzt auch nichts mehr.«
    »Was genau waren denn Ihre Gründe?«
    Er beugte sich vor, die Ellbogen auf
den Knien. Seine Augen hatten sich verdüstert. »Mir kamen Zweifel an dem
Projekt, als mich dieser Brief in meinem Büro erreichte. Er besagte im Wesentlichen,
daß die Sanierung der Golden Gate Lines schief laufen würde; Gordon habe sich
übernommen, sei unterfinanziert und habe persönliche Probleme. Das gab mir zu
denken, aber der Absender nannte seinen Namen nicht, und ich gebe nichts auf
Gerüchte, also habe ich den Schrieb weggeworfen und Gordon nichts davon gesagt.
Dann bekam ich einen Anruf von einem Freund, einem Finanzmann, den ich sehr
respektiere.«
    Ich nannte den Namen des Investors, der
sich ebenfalls aus dem Projekt herausgezogen hatte.
    Evans nickte. »Er hatte Ähnliches in
seinem Club gehört. Er fragte mich, ob ich etwas wisse. Wir einigten uns, die
Gerüchte zu ignorieren, aber sie kamen uns immer wieder zu Ohren. Leute
meinten, die GGL stünde wackliger da denn je. Dann begegnete ich zufällig Dick
Farley, dem Manager des Jack London Terminal; er erzählte, Gordon benehme sich
seltsam. Das war mir auch schon aufgefallen. Ich hatte noch ein anderes Projekt
in petto, also bin ich ausgestiegen.«
    »Es erscheint mir doch ein merkwürdiger
Zufall, daß Sie, der Investor und der Terminal Manager aus dem Stocktoner
Hafen, den Gordon abwerben wollte, alle am selben Tag ausgestiegen sind.«
    »Ich will Ihnen nichts vormachen: Wir
haben miteinander geredet, und ich schätze, da war einfach der berühmte
Domino-Effekt am Werk.«
    »Und keiner von Ihnen hat Gordon auf
die Gerüchte angesprochen.«
    »Zu dem Zeitpunkt glaubten wir schon,
daß etwas dran war. T. J. benahm sich wirklich sehr merkwürdig. Er wirkte
paranoid, ging beim kleinsten Anlaß in die Luft, putzte alle herunter. Kurzum,
nicht der Mensch, dem gegenüber man gern ein offenes Wort riskiert. Wenn wir
von diesen Anschlägen auf ihn gewußt hätten, hätten wir uns vielleicht anders
verhalten. Aber so — er war so seltsam geworden. Als diese Sache mit seiner
Frau passierte, dachte ich schon...

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