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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Ich legte den Hörer auf die Station
und sah Mick durch die Diele kommen. »Wo warst du?« fragte ich unwirsch.
    »Deinen Mietwagen zurückbringen.«
    Ich sah auf meine Armbanduhr. »Fünf
Stunden lang?«
    »Nein, ich war noch bei einer Freundin.
Ich habe eine Frau kennengelernt, okay?«
    »Heute abend?«
    »Letzten Monat.«
    »Du hast noch nie etwas davon gesagt.«
    »Du hast ja nie gefragt. Du warst so...
beschäftigt.«
    Ich mußte zugeben: Wenn ich ihm nicht
gerade Anweisungen erteilt oder bei ihm Computer-Nachhilfe genommen hatte,
hatte ich ihn tatsächlich ignoriert. Jetzt wurde mir langsam klar, warum er
sich so aufgespielt hatte, indem er eigenmächtig dieser Blessing-Sache
nachgegangen war.
    Ich wollte ihn fragen, was das denn für
ein Mädchen sei, aber als er näher an mich herantrat, roch ich eine leise
Weinfahne. »Du hast getrunken.«
    »Ein Glas Wein zum Essen; auch nicht
mehr als daheim. Maggie hat in ihrer Eigentumswohnung für uns gekocht.«
    »In ihrer Eigentumswohnung? Wie alt ist
Maggie denn?«
    »Fünfundvierzig.«
    »Was ?«
    Er lächelte durchtrieben. »Haha, reingefallen.
Sie ist neunzehn. Und die Wohnung gehört eigentlich ihren Eltern; sie sind auf
ihre alten Tage nach Palm Springs gezogen und haben sie ihr überlassen.« Er
zögerte, schien zu pumpen. »Shar, ich will bei ihr einziehen, sobald ihre
Mitbewohnerin etwas Neues gefunden hat.«
    »Du willst...«
    Er nickte, jetzt wieder ernst. »Ich
weiß, du willst mich in der Agentur und hier nicht mehr haben, aber ich gehe
nicht wieder heim. Wenn ich an einem Ort lebe, wo mich alle für einen Spinner
und Taugenichts halten und die ganze Zeit darauf warten, was ich als nächstes
Schreckliches tun werde, lerne ich nie, wie du dich auszudrücken beliebst,
einen Sinn für Realitäten zu entwickeln.«
    »Und du meinst, wenn du mit einer
Frau lebst, lernst du’s?«
    Er lächelte wieder. »Jetzt klingst du
schon wie Grandma. Ich wette, du konntest es dir gerade noch verkneifen, ›in
Sünde‹ zu sagen.«
    »Aber du bist erst siebzehn.«
    »Wie alt warst du, als du mit dem
Kapitän des Schwimmteams —«
    »Okay! Ein Punkt für dich. Woher weißt
du das überhaupt?«
    »Das ist so eine Art Familienlegende.«
    »Oh, nein! Aber trotzdem, Mick, ist dir
klar —«
    »Du brauchst mir nicht mit den Blümchen
und Bienchen zu kommen«, sagte er sarkastisch. »Ich bin aufgeklärt und sexuell
aktiv, seit ich fünfzehn war.«
    »Oh.«
    »Und um auf deine Frage zurückzukommen
— ja, mit einer Frau zusammenzuleben, die mir etwas bedeutet, mir einen Job zu
suchen und meinen Teil zum Lebensunterhalt beizusteuern und nebenbei vielleicht
noch aufs College zu gehen, wird mir sicher helfen, einen gesunden Sinn für
Realitäten zu entwickeln, weil ich dann nämlich das Gefühl habe, ich manage
mein Leben selbst.«
    Plötzlich war ich so stolz auf ihn, daß
ich ihn hätte küssen können, aber ich tat es nicht, weil es uns beide verlegen
gemacht hätte. Statt dessen sagte ich: »Du klingst langsam wie ein ganz schön
reifer Siebzehnjähriger. Und du brauchst dir nicht gleich einen Job zu suchen,
vorerst hast du noch einen bei mir.«
    Er blinzelte und sah zu Boden, um seine
Erleichterung und Freude zu verbergen. »Danke, Shar.« Dann stupste er mit dem
Fuß gegen meine Reisetasche. »Was läuft denn?«
    »Eine Menge, und ich habe keine Zeit,
es dir zu erklären. Wir verschwinden heute abend von hier.«
    »Warum? Wohin?«
    »Jemand hat mich... verfolgt; ich
glaube nicht, daß wir hier sicher genug sind. Du gehst zu All Souls. Du kannst
dort entweder im Büro kampieren oder in Jack Stuarts altem Zimmer schlafen,
wenn dir das lieber ist.«
    »Ich kann doch bei Maggie —«
    »Mick, in diesem Metier gefährdet man
keine Menschen, an denen einem liegt. Nie und nimmer. Merk dir das.«
    Er nickte — speichert es ab, dachte
ich.
    Ich fuhr fort: »Ich werde es so
hindrehen, daß es aussieht, als wäre ich verreist; du kannst herkommen und die
Katzen füttern, die Post reinholen, den Anrufbeantworter abhören, so, wie Ted
es immer macht, wenn ich wirklich weg bin.«
    Micks Gesicht war jetzt besorgt. Er
setzte sich aufs Sofa. »Shar, hat dieser Jemand versucht, dir etwas anzutun?«
    Ich zögerte, setzte mich ebenfalls hin.
Er hatte ein Recht, es zu erfahren. Ich erklärte kurz, was in Woodside passiert
war, und schloß: »Es war dasselbe Vorgehen wie bei dem Mord an Blessing —
abgelegene Gegend, der Versuch, das Opfer zu überfahren. Ich glaube nicht, daß
der Betreffende

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