Feinde kann man sich nicht aussuchen
hier eins-zwo-eins-drei-Delta. Sichtflug
Ost, Ziel Livermore, mit Alfa...«
Mick sagte: »Wenn Hy das nächstemal
kommt, hörst du einfach den Funk ab. Du kriegst es mit, wann er sich beim Tower
meldet, und bist schon dort, bevor er anruft, daß du ihn holen sollst. Sag ihm,
du kannst hellsehen; da flippt er aus.«
Wenn Hy das nächstemal kommt... Ich
schob den Gedanken weg und mußte über Micks verzücktes Grinsen lächeln. Er war
so Feuer und Flamme, daß ich es kaum über mich brachte, seine Begeisterung zu
trüben, aber dennoch...
In dem Bestreben, der obligatorischen
Diskussion zu entgehen, begab ich mich in die Küche, um meinen Vorrat an
Tiefkühl-Entrées zu inspizieren. Mick folgte mir, zwängte sich neben mich und
fischte im Kühlschrank nach einer Dose Cola. »Weißt du«, sagte er, »ich habe
mir überlegt, daß wir wirklich ein Erdbeben-Notfallpack zusammenstellen
sollten.«
»Ein was?«
»Ich habe letzte Woche einen Artikel
darüber gelesen, wie man sich auf das Große Beben vorbereiten soll, und da habe
ich mich hier im Haus umgesehen und festgestellt, daß du nichts getan hast.
Vorbereitet, meine ich. Also habe ich die Erdbeben-Beratung angerufen und mir
eine Broschüre schicken lassen. Ich finde, wir sollten alles, was wir brauchen,
in einen Karton packen und im Wandschrank in deinem Arbeitszimmer verstauen.«
»Das ist eine prima Idee, aber wenn nun
der Wandschrank zusammenbricht und wir nicht drankommen?«
»Passiert nicht. Ich habe es geprüft,
als ich die Antenne für mein Radio aufgestellt habe — direkt obendrüber läuft
ein tragender Balken.«
Er hatte eine Antenne auf meinem Dach
aufgestellt! »Mick«, setzte ich matt an.
»Ich faß es nicht, daß du noch kein
Zeug zusammengepackt hast«, sagte er. »Wie hast du denn das Beben von
neunundachtzig überlebt?«
»Indem ich unter einen Schreibtisch
gekrochen bin.« Ich nahm eine Packung Rindfleisch in Sahnesauce aus dem
Gefrierfach und sann darüber nach, wie ich wohl zu ihm durchdringen könnte. »Du
weißt, daß das nicht gerade gut für dich ist«, erklärte er mit einem Kopfnicken
in Richtung der Packung. »Da ist ein Haufen Fett und Natrium drin.«
Mein strapazierter Geduldsfaden riß
endgültig. Ich zeigte auf seine Cola. »Das da ist für dich wohl auch nicht
gerade gut. Deine Mom wird dich auf Entzug setzen, sobald du wieder daheim
bist.« Ich öffnete die Packung, piekte Löcher in den Plastikbeutel und steckte
ihn in die Mikrowelle.
Als ich mich wieder umdrehte, hingen
Micks Schultern und Mundwinkel. »Was ist?« sagte ich. Und zu mir selbst: Ich
weigere mich, Schuldgefühle zu haben.
Er wich achselzuckend meinem Blick aus
und schrubbte die bereits saubere Arbeitsplatte mit einem Schwamm. Ich sah, wie
sich sein Unterkiefer zu demselben kampflustigen Ausdruck vorschob, den seine
Mutter die meiste Zeit ihrer Pubertät im Gesicht getragen hatte.
Ja, dachte ich, er ist wild
entschlossen, nicht nach Hause zurückzufahren. Er läßt sich sein Radio
schicken, redet von »unserem« Erdbeben-Notfallpack. Allmächtiger, was mache ich bloß mit ihm?
Ich musterte Mick nachdenklich, und
eine Idee schälte sich in meinem Kopf heraus. Was sollte ich mit ihm machen?
Nun ja, warum nicht einfach das, was sie vor Jahren mit mir gemacht hatten? Ich
würde ihn einfach ins Wasser stoßen, ihm eine Dosis Praxiserfahrung zukommen
lassen, testen, was er drauf hatte. Mick war kein Kind mehr; ob es seinen
Eltern paßte oder nicht, es war Zeit, daß er anfing, selbst zu entscheiden.
Wenn er das Zeug zum Privatdetektiv hatte, würden wir es bald wissen.
Ich sagte: »Ich hab’s mir überlegt — was
hältst du davon, noch eine Weile hierzubleiben und mir zu helfen, falls deine
Eltern einverstanden sind?«
Der Stimmungsumschwung war mit Händen
zu greifen: Er richtete sich auf, und sein Gesicht strahlte vor schierem Glück.
Einen Moment lang dachte ich, er würde mir um den Hals fallen; aber statt
dessen schrubbte er nur energisch weiter. »Sie werden einverstanden sein«,
sagte er, »weil du sie überreden wirst.«
Die Mikrowelle piepte. Ich prüfte den
Plastikbeutel, fand ihn lauwarm. Drückte die Knöpfe, um noch eine Runde Wellen
draufzugeben. Ich war hungrig und müde und am Ende meiner Kräfte. Fast den
ganzen Tag hatte ich irgendwelches Zeug für andere gemacht, und jetzt kriegte
ich nicht mal dieses verdammte Ding dazu—
»Mit dem Gerät stimmt was nicht«, sagte
Mick. »Wenn du möchtest, repariere ich es morgen früh, bevor ich zur
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