Feinde kann man sich nicht aussuchen
tatsächlich?« Ich setzte mich auf
den Sprungfederrahmen mit Matratze, der alles war, was ihr von ihrem geliebten
Messingbett geblieben war. Es war beim Einbau der großen Dachfenster im letzten
Frühjahr draufgegangen, und Rae hatte, ganz im guten alten Stil, das Geld von
der Versicherung auf einen Trip an den Lake Tahoe und ein paar neue Klamotten
verwandt. Ich sah eins dieser neuen Outfits, einen engen Rock mit langer Bluse
in einem Rostton, der zu ihrem kastanienbraunen Haar paßte, auf der Matratze
liegen. »Ein Date?« fragte ich.
»Kann man so nicht sagen. Aber ich bin
spät dran, und das ist einer der Gründe, weshalb ich gerade an dich dachte. Du
solltest deinen Neffen ein bißchen an die Kandare nehmen.«
»Was hat Mick denn jetzt schon wieder
angestellt?«
»Mich in meinem Büro festgenagelt, als
ich gerade Schluß machen wollte, und mir einen Haufen Fragen über unsere Arbeit
gestellt, die ich zum Teil nicht mal beantworten konnte.«
»Tut mir leid. Er fährt Ende des Monats
wieder heim.«
»Ach, so schlimm war es nun auch wieder
nicht.« Sie beugte sich dichter an den Spiegel heran und begann, Lidschatten
aufzutragen. »Ich hasse es nur, wenn irgendein Halbwüchsiger mehr über meinen
Job weiß als ich.«
»Und was hast du vor?« Ich zeigte auf
die Klamotten.
Rae stöhnte, deponierte den Lidschatten
auf dem Boden und wandte sich mir zu. Mit nur einem geschminkten Auge und
diesem leicht ängstlichen Gesichtsausdruck sah sie aus wie ein kleines Mädchen,
das beim Spielen mit Mutters Make-up ertappt wurde. »Shar«, sagte sie, »ich
gehe heute abend mit ein paar Freundinnen aus. In ein Lokal.«
»Ins Remedy?« Das war das
All-Souls-Stammlokal, weiter hügelabwärts, an der Mission Street.
»Du liebe Güte, nein. Würde ich mich
dafür schminken? Eine richtig nette Bar — eigentlich ein Club — am Yachthafen.
Wir gehen... auf Männerfang.«
Ich wartete.
»Hast du gehört, was ich gesagt habe — auf
Männerfang?«
»Was ist denn da dabei?«
Sie seufzte. »Nichts, schätze ich. Ich
fühle mich nur so... unerfahren. Ich habe das seit dem College nicht mehr
gemacht.«
»Das heißt ja wohl, mit Willy ist
endgültig Schluß.« Seit der Scheidung von ihrem ewig-studentischen Ehemann war
Rae mit ihm zusammengewesen — Willy Whelan,
Self-Made-Schmuck-Discount-Ketten-König von Nordkalifornien, eine gewisse
Hehlervergangenheit einmal außer acht gelassen. Die Beziehung war im letzten
Frühjahr über irgendeiner blöden Ehevertragsgeschichte in die Brüche gegangen,
aber seither hatten sich die beiden so gut wie täglich gestritten, und ich
hatte fest damit gerechnet, daß sie irgendwann wieder zusammenkommen würden.
»Es ist aus«, sagte sie, und ihr Mund
verhärtete sich. »Und jetzt werde ich mein Leben weiterleben. Aber das ist so
verflixt schwer. Kannst du mir nicht ein paar Ratschläge geben? Ich meine, du
hast doch nie Probleme gehabt, Männer zu finden.« Das stimmte, vielleicht, weil
ich meine Liebhaber immer dann kennengelernt hatte, wenn ich mit irgend etwas —
einem Fall, einer Sache, einer Studienveranstaltung — viel zu beschäftigt
gewesen war, um mir Gedanken darüber zu machen, daß ich keinen Mann an meiner
Seite hatte. Meiner Erfahrung nach schreckt es die meisten interessanten Leute
ab, wenn jemand ganz offensichtlich nichts weiter sucht als Körperwärme. Aber
das würde ich Rae nicht gerade dann erzählen, wenn sie so verunsichert war,
also sagte ich leichthin: »Aber denk mal an die Qualität der Männer, die ich
gefunden habe.«
»Hy ist ein toller Mann, Shar. Und ihr
zwei habt eine tolle Beziehung — so uneinengend.«
»Hmm.« Ich dachte an die Rosenblätter,
die fast auf meinem Bürofußboden gelandet wären. »Na ja, aber von Hy mal
abgesehen, war es nicht soweit her.«
Rae schwieg; ich konnte sehen, wie sie
im stillen eine Liste durchging. Dann wandte sie sich achselzuckend wieder dem
Spiegel zu. »Ich weiß einfach, wenn ich heute abend jemanden kennenlerne, wird
er ganz schrecklich sein. Aber ich bin bereit, ich habe die Instruktionen
meiner Freundin Vanessa auswendig gelernt.«
»Instruktionen?« Obwohl ich ja
eigentlich über Suits reden wollte, war ich doch neugierig, welche Regeln
heutzutage für das Männeraufreißen galten.
»Instruktionen.« Rae nickte. »Kleide
dich nicht zu offenherzig, aber bemühe dich, auf subtile Weise verführerisch zu
wirken. Ein Glas Wein vorher, um dir Mut zu machen, aber nur eins, und gefahren
wird mit dem Taxi. Meide die
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