Feinde kann man sich nicht aussuchen
Sinn ergab — sobald ich seinen verrückten Code knackte und die
Informationen mit den mir bereits bekannten Fakten kombinierte.
Im Hotel angekommen, eilte ich hinauf
in mein Zimmer, um noch einmal meine Notizen über die Sanierung von Lost Hope
durchzusehen. Sie war im September letzten Jahres abgeschlossen gewesen, und
Suits hatte daraufhin die Stadt verlassen. Ich steckte die Notizen in meine
Handtasche, ging nach unten und fragte an der Rezeption nach Marty McNear. Der
Empfangsportier verwies mich in die Halle, wo der Besitzer gerade mit dem
Barkeeper ein paar Rechnungen durchging. McNear goß mir eine Tasse Kaffee ein,
und ich setzte mich an denselben Tisch, an dem wir gestern gesessen hatten, um
zu warten, bis er fertig war.
Es gab vieles, was ich von McNear
wissen wollte, aber ich beschloß, vorsichtig vorzugehen. Der Hotelier hatte
zwar aufrichtig gewirkt, aber andererseits hatte er selbst zugegeben, daß er
meine Faxe gelesen hatte, und ich hatte außer seinem Wort keinen Beleg dafür,
daß er die Gordons gemocht hatte. Vielleicht hatte er mich ja an Brenda Walker
verwiesen, weil er wußte, daß sie nicht mit mir reden würde; vielleicht war er
es ja gewesen, mit dem sie telefoniert hatte, bevor sie zu Leon Deck gefahren
war. Gewagt? Vermutlich. Ein bißchen paranoid? Eindeutig. Dennoch — ich würde
meine Fragen dosieren.
Als McNear sich zu mir setzte, stellte
ich ihm nur eine einzige. »Wissen Sie noch, wann genau Anna Gordon ihren Mann
damals besucht hat?«
Er überlegte, schüttelte dann den Kopf.
»Kurz bevor er von hier wegging.«
»Könnten Sie die Daten Ihrem Register
entnehmen?«
»Nein. Wir hatten damals noch nicht
offiziell eröffnet, deshalb brauchten sie sich beide nicht einzutragen.«
»War es vielleicht im August? Oder im
September?«
»August, würde ich sagen. Übrigens, wie
ist es denn mit Brenda Walker gelaufen?«
»Gar nicht.«
»Ach?«
»Sie hat sich geweigert, mit mir zu
reden, und mich geradewegs zu Deputy Westerkamp geschickt.«
Das schien ihn nicht weiter zu
überraschen. »Und was hat Ihnen Westerkamp erzählt?«
»Nicht viel, er hat mir nur die
Erlaubnis erteilt, in seinem Zuständigkeitsbereich Nachforschungen
anzustellen.«
McNear nickte. Dann ging uns der
Gesprächsstoff aus. Ich dankte ihm und verschwand wieder nach oben, um
telefonisch einen Termin mit dem Stadtdirektor von Lost Hope, Byron Briggs, zu
machen. Briggs, ein Verwaltungsfachmann, der eingestellt worden war, um dafür
zu sorgen, daß Suits’ Generalkonzept nicht aus dem Ruder lief, war willens,
mich in einer halben Stunde zu empfangen.
Das Verdunstungsaggregat auf dem Dach
über Byron Briggs Büro ratterte und gluckerte. Briggs, ein kleiner, rundlicher
Glatzkopf mit einer seltsam näselnden Stimme — ein leibhaftiger Doppelgänger
der Cartoonfigur Elmer Fudd — starrte immer wieder nervös an die Decke. Laut
Suits’ Akten war er einer der fähigsten Stadtverwaltungsexperten in den
westlichen Bundesstaaten, und aus seinen Antworten auf meine einleitenden
Fragen zur Sanierung der Stadt sprach ein scharfer Verstand, aber ich konnte
mich einfach nicht von dem Fudd-Bild freimachen und grinste deshalb völlig
unangemessen.
»...jetzt schon seit einem Jahr stabil.
Noch ein Jahr, dann bin ich hier weg.«
Ich zwang mich, meine Aufmerksamkeit
wieder auf das zu konzentrieren, was er sagte. »Und die Leute, die gegen die
Sanierungsmaßnahmen waren? Gibt es da keinen Unmut mehr?«
»Die regelmäßigen Einkünfte haben ihn
gedämpft.«
»Es muß aber doch auch Leute geben, die
nicht davon profitiert haben.«
»Sicher. Unzufriedene Bürger gibt es in
jeder Stadt, aber sie äußern sich normalerweise nur in Worten, nicht in Taten.
Ich bezweifle, daß irgend jemand hier bei uns fähig wäre, eine so ausgeklügelte
Terrorkampagne zu inszenieren, wie Sie sie da schildern.«
»Mr. Gordon hat mir drei Personen
genannt, die sich den Sanierungsmaßnahmen ernsthaft in den Weg gestellt haben.«
Ich konsultierte meine Notizen und las ihm die Namen vor. »Hat jemand von
diesen Leuten in den letzten Monaten die Stadt verlassen?«
»Nicht, daß ich wüßte. Der erste hat
alle Hände voll damit zu tun, sein Burger King zu betreiben; der zweite
kandidiert für den Kreisrat; der dritte hat gerade eine Lizenz für einen
Alkoholausschank mit Spielbetrieb beantragt.«
»Okay, dann würde ich gern noch einmal
auf den August letzten Jahres zurückkommen. Da war Mr. Gordons Frau zu Besuch
hier.«
Er nickte. »Reizende
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