Feinde kann man sich nicht aussuchen
mit offenem Mund auf dem Parkplatz hinter dem Hotel stehen und ging hinein,
um mir seinen Boß vorzunehmen. Der Empfangsportier erklärte mir zuerst, Mr.
McNear sei nicht da, aber als ich laut in die Gegend posaunte, es gehe um den
Diebstahl persönlichen Eigentums aus meinem Wagen auf dem bewachten
Hotelparkplatz, holte er den Besitzer aus seinem Büro. McNear sah nervös zu
zwei anderen Gästen hinüber, die die Szene interessiert verfolgten, und bat
mich in den Raum hinter dem Empfangstresen. Ohne mir einen Stuhl anzubieten,
fragte er: »Miss McCone, was geht hier vor?«
»Das frage ich Sie. Ich habe gerade mit
Ihrem Parkwächter gesprochen; er erklärt, Sie hätten gesagt, er solle Brenda
Walker an meinen Landrover lassen. Sie hat einen teilweise verknipsten Film aus
meiner Kamera gestohlen.«
McNear wandte sich ab und sah durch das
Fenster auf den Parkplatz hinaus. »Warum sollte sie so was tun?«
»Auf dem Film waren Aufnahmen von Leon
Decks Flaschenhaus; ich nehme an, sie hat beobachtet, wie ich sie gemacht habe.
Aber das wissen Sie ja selbst.«
McNears Körperhaltung war einen Deut
steifer geworden, als Decks Name gefallen war. »Nein, ich weiß gar nichts.«
»Was hat Brenda Walker Ihnen dann
erzählt, warum sie an mein Auto wollte?«
Er schwieg einen Augenblick und
fingerte an der Schnur des hochgezogenen Rollos herum. »Ist Ihnen gar nicht der
Gedanke gekommen, daß der Parkwächter vielleicht lügen könnte?«
»Doch, aber nur für einen Moment. Der
Bursche sieht nicht aus, als wäre er so dreist, die Schuld auf seinen Boß
abzuwälzen.« McNear seufzte und sah mich an. »Also gut. Brenda hatte den
Verdacht, daß sie draußen beim Flaschenhaus waren, und sie wollte den Film als
Bestätigung.«
»Quatsch. Sie konnte gar nichts von der
Kamera wissen, wenn sie mich nicht selbst dort draußen damit gesehen hat.«
Er zuckte die Achseln. »Ich weiß nur,
was sie mir gesagt hat.«
»Ich denke, Sie wissen noch einiges
mehr. Wozu brauchte sie die Bestätigung, daß ich dort war?«
»Sie macht sich Sorgen um Leon.«
»Was hat sie mit ihm zu schaffen?«
McNear sah unbehaglich drein. »Das
bleibt unter uns?«
»Kommt drauf an.«
»Na ja... Leon ist Brendas Bruder.
Halbbruder, genauer gesagt. Haben Sie ihn gesehen?«
Ich nickte.
»Dann wissen Sie ja Bescheid. Hat einen
schweren Schaden weg, der Bursche. Kam hierher in ihre Nähe, nachdem er daheim
im mittleren Westen jahrelang in einer Anstalt war. Brenda meint, sie muß ihn
beschützen.«
»Warum steht sie dann nicht öffentlich
zu ihm? Warum nimmt sie ihn nicht zu sich?«
»Leon ist wie ein wildes Tier; man kann
ihn nicht zähmen. Er ist dort draußen besser dran, mit seinen Flaschen und
seinen komischen Träumen. Und was die Öffentlichkeit angeht« — er zuckte wieder
die Achseln — »ich schätze, Brenda schämt sich einfach. Sie hält sich für eine
Säule der Gesellschaft und will nicht, daß die Leute wissen, daß sie — einen
Bruder hat, der vor lauter Drogen durchgeknallt ist. Aber sie kümmert sich um
ihn.«
Ich dachte kurz nach. Das erklärte
immer noch nicht, wieso Brenda Walker meinen Film an sich gebracht hatte. Sie
hatte gewußt, daß ich dort draußen gewesen war und mit Leon geredet hatte. Wozu
dann der Film?
Es sei denn, dort in dieser
ausgetrockneten Flußsenke gab es irgend etwas, wovon sie fürchtete, es könnte
auf den Fotos zu sehen sein...
Der Kunsthandwerksladen war wieder
geschlossen. Ich passierte ihn, ohne abzubremsen, fuhr weiter und nahm dann die
Straße hinauf zu Brenda Walkers Haus. Kein Transporter auf dem Grundstück,
keine Reaktion auf mein wiederholtes Anklopfen. Ich stieg die Eingangstreppe
wieder hinunter und versuchte es mit derselben Strategie, mit der ich Deputy
Westerkamp ausfindig gemacht hatte: Nachbarn fragen.
»Brenda?« sagte die nett aussehende
Frau, die gerade beim Wäscheaufhängen war. »Ich habe sie vorhin Rucksack und
Schlafsack in ihren Wagen packen sehen. Das macht sie öfters — fährt einfach
für ein paar Tage raus in die Einöde. Sagt, im Grund ihres Herzens ist sie eine
alte Wüstenratte.«
»Wohin könnte sie gefahren sein?«
Die Frau machte eine ausholende
Bewegung mit der Hand, die eine Wäscheklammer hielt. »Die Wüste da draußen ist
groß, Herzchen. Brenda hat nie was von einem bestimmten Ort gesagt.«
Die Tür des Flaschenhauses stand offen.
Ich kletterte über das Mäuerchen und rief Decks Namen.
Keine Antwort, nur das Knarren der Tür
in dem leichten Wind. Ich
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