Feinde kann man sich nicht aussuchen
Frau. Ein schwerer
Verlust —«
»Ja. Sie war zwei Wochen hier?«
»Zweieinhalb, genau gesagt. Sie wollte
eigentlich bleiben, bis Mr. Gordon so weit war, daß er nach Kalifornien
zurückkehren konnte. Aber dann ist sie plötzlich abgereist.«
»Warum?«
»Die Gründe entziehen sich meiner
Kenntnis. Sie ist von einem Tag auf den anderen abgeflogen, in seinem Learjet.«
»Gab es irgendwelche Probleme?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Erinnern Sie sich noch an das Datum
ihrer Abreise?«
»...Nein, aber...« Er drückte eine Taste
seiner Wechselsprechanlage; als sich seine Sekretärin meldete, fragte er:
»Könnten Sie mal in den Akten nachsehen, wann genau im August letzten Jahres
die Nevada Bell die Verlegung des neuen Leitungsnetzes abgeschlossen hat?« Und
zu mir gewandt, setzte er hinzu: »Ich weiß noch, daß Mr. Gordon die Papiere
abzeichnen mußte, und da war er gerade draußen auf dem Flugfeld.«
Briggs hielt die Taste ein Weilchen
gedrückt, die Augen theatralisch zur Decke gerichtet, wo das Aggregat jetzt
asthmatisch pfiff und gurgelte. »Sechsundzwanzigster Achter? Danke.« Er sah
mich an und wiederholte: »Sie ist am sechsundzwanzigsten August abgereist.«
Als ich am Vorabend im Joker gewesen
war, hatte ich gegenüber eine kleine Bibliotheks-Zweigstelle entdeckt. Ich fuhr
hin und fragte nach der Lokalzeitung. Die Stadt habe keine eigene Tageszeitung,
beschied mich die Bibliothekarin, nur einen Wochenanzeiger für die Touristen.
Die Mitteilungen des Sheriff’s Department? Die würden in der Tageszeitung von
Tonopah veröffentlicht. Ich prüfte die Mikrofilme für die Tage um den 26.
August des Vorjahrs und fand eine interessante Meldung.
Eine Frau hatte bei der Außenstelle in
Lost Hope angerufen und behauptet, ein polizeilich gesuchter Mann, dessen Bild
kürzlich in › Ungelöste Kriminalfälle‹ gezeigt worden sei, halte sich im
Aces & Eights auf. Die Deputies seien der Sache nachgegangen, aber der Mann
habe offenbar die Stadt verlassen, ohne die Motel-Rechnung zu bezahlen.
Ich konnte mir denken, wer die
Anruferin gewesen war.
Als ich Deputy Westerkamp um Viertel
vor zwei schließlich fand, erledigte er gerade seine Wäsche. Er saß auf einem
Plastikstuhl in einem Etablissement namens Suds ‘n’ Duds und starrte trübsinnig
auf seine Wäschestücke im Trockner. Aufgespürt hatte ich ihn mit Hilfe seiner
Nachbarin, die sagte, sie habe ihn die Straße hinuntergehen sehen, »wie ein
gottverdammter Weihnachtsmann«. Westerkamp schien nicht weiter erstaunt, mich
zu sehen. Er nickte nur und patschte auf den Stuhl neben seinem.
»Sie kommen ja ganz schön rum«, sagte
er milde.
»Und wie. Sie würden’s nicht glauben.«
»Vermutlich nicht. Was kann ich für Sie
tun?«
»Am sechsundzwanzigsten August letzten
Jahres hat jemand Ihrer Dienststelle telefonisch den Hinweis gegeben, ein
polizeilich gesuchter Mann halte sich im Aces & Eights auf. Das war
nicht zufällig Brenda Walker?«
»Klar war sie’s. Wir sind der Sache
nachgegangen und ins Aces gefahren. Er war abgereist — oder so was ähnliches
jedenfalls. Seine Sachen waren noch da und sein alter Kombi ebenfalls. Haben
den Mann nie gefunden, trotz gründlichster Suche.«
»Und der Wagen —«
»Gestohlen, in Colorado. Keine
Fingerabdrücke — alles fein säuberlich abgewischt. Genau wie in seinem
Motel-Zimmer.«
»Merkwürdig. Und seine Habseligkeiten?«
»Liegen in unserer Asservatenkammer.«
»Kann ich sie sehen?«
»Warum?«
Ich zögerte.
In Westerkamps hellen Augen stand jetzt
mehr Interesse als sonst.
Er wartete.
Mich überkam dasselbe Mißtrauen wie bei
Marty McNear. Westerkamp war ein Mann des Gesetzes, aber ich hatte genügend
Erfahrungen mit Polizisten gesammelt, um zu wissen, daß Gesetzeshüter nicht
zwangsläufig auch gesetzestreue Menschen waren. »Okay, Miss McCone«, sagte er
schließlich. »Wir kennen uns nicht allzu gut, aber ich habe das Gefühl, daß Sie
bisher offen zu mir waren, und ich hoffe, Ihnen geht es umgekehrt nicht anders.
Also — angenommen, ich lasse Sie einen Blick auf die Sachen in meiner
Asservatenkammer werfen, und angenommen, das sagt Ihnen irgendwas — was werden
Sie dann tun?«
Gute Frage.
»Werden Sie mir sagen, was dabei für
Sie rausgekommen ist, oder werden Sie mich weiter im dunkeln tappen lassen?«
Wenn das, was ich vermutete, stimmte,
würde ich moralisch verpflichtet sein, es ihm zu sagen. »Ich werde Sie nicht im
dunkeln tappen lassen.«
»Dann kommen Sie um vier,
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