Feindgebiet
unvorschriftsmäßig mehrere Kisten voller alter Stoffreste.
Die Wände zum Frachtraum schmolzen – aber nicht in den angrenzenden Korridor, wo man das Feuer entdeckt hätte. Statt dessen fraß sich der Brand parallel zum Schiffsrumpf weiter, in Richtung Heck.
Der Computer für Schadensmeldungen schlug keinen Alarm. Schließlich wütete das Feuer wild um sich und brach durch die Schotts. Die Mannschaften starben, bevor sie schreien konnten. Möglicherweise wurde das Feuer zu diesem Zeitpunkt auf einem Computerschirm gemeldet, doch wenn dem so war, dann ging die Meldung in der Hitze des Gefechts unter.
Schließlich wurde das Feuer aufgehalten. Zwei riesige, feuersichere Kammersysteme umschlossen das Schlachtschiff, eines unterhalb, das andere oberhalb der riesigen AM 2 Treibstofftanks. Die Kammern waren nicht nur mit völlig inaktivem und feuersicherem Material gefüllt, sondern außerdem mit Anti-Explosions-Anti-Strahlungs- und Anti-Alles-Schutzschirmen ausgestattet.
Die Schutzschirme wurden nicht hochgefahren, als die äußere Wand zerschmolz.
Außerdem hielt das nichtendzündbare Material nicht das, was seine Hersteller versprachen.
Die Forez explodierte einige Mikro-Sekunden, bevor die beiden Kali-Raketen sie erreichten; wo vorher Materie gewesen war, befand sich jetzt nur noch pure Energie.
Vielleicht wäre Lady mit ihrem Tod nicht einmal unzufrieden gewesen. Zwar hatte sie nicht das Zentrum der feindlichen Flotte erreicht, doch sie befehligte ihr Raumschiff bis zum Schluss, und noch im letzten Moment wollte sie gerade einen Befehl erteilen – sie hatte alles völlig unter Kontrolle.
Genau in diesem Moment hörte sie auf zu existieren.
Zusammen mit mehr als fünftausend anderen Besatzungsmitgliedern.
Im Krieg gab es weitaus schlimmere Arten, zu sterben.
Lady Atago war dafür verantwortlich, dass viele Millionen Menschen genau das am eigenen Leib erfahren hatten.
Kapitel 54
Lady Atago starb erhobenen Haupts. Ihre Ehre war gerettet. Die Lebenden mussten dafür mit ihrer eigenen Ehre zahlen. Atagos symbolträchtige, heldenmütige Aktion setzte eine Kettenreaktion in Gang, die jedes Glied der weit verzweigten Tahn-Hierarchie erschütterte. Überall brach die Führung mit Schimpf und Schande zusammen. Der Mob ging auf die Straße, fest entschlossen, die Schuldigen für all die Schmach zu finden. Mit einem Mal waren alle Uniformträger, selbst die niedrigsten Repräsentanten des Staates, Freiwild.
Raumfahrer wurden aus Hafenkneipen gezerrt und totgeschlagen. Viele tausend aufgebrachte Tahn versammelten sich vor militärischen Einrichtungen, um zu klagen, zu trauern, sich die Haare auszureißen und sich schließlich gegen die Zäune zu werfen, bis diese nachgaben. Die Soldaten eröffneten das Feuer, aber nur halbherzig. Hunderte starben, aber die Massen griffen weiterhin an. Viele Soldaten zogen ihre Uniform aus und schlossen sich dem Mob an, um sich an der Jagd nach ihren Offizieren zu beteiligen.
Polizeireviere wurden in Brand gesteckt, die fliehenden Bullen verfolgt und mit Fäusten und Füßen zu Brei geschlagen und getreten. Briefträger wurden auf ihrer täglichen Tour gesteinigt, Zugführer aus ihren Zügen gerissen und an der nächsten Laterne aufgehängt oder wie Puppen angezündet und bei lebendigem Leib verbrannt. Die meisten Mitglieder des Tahn-Rats versteckten sich in ihren Häusern, geißelten sich in Selbstanklage und Sühne. Der Gedanke, jemanden um Hilfe zu rufen, kam ihnen nicht einmal dann, als ihre wütenden Untertanen zunächst ihre Wachmannschaften, dann ihr Personal, anschließend ihre Familien und schließlich sie selbst umbrachten.
Als der Mob keine Autoritätsfiguren mehr finden konnte, wandte man sich den Kaufleuten zu, um sie abzuschlachten doch die meisten hatten sich auf ihren guten Kapitalistenriecher verlassen und waren rechtzeitig geflohen; also plünderte man die Geschäfte und die Kaufhäuser, brach die Lagerhäuser auf und zerstörte alles, was man nicht wegtragen konnte. Überall auf Heath waren riesige Rauchsäulen und wütende Flammen zu sehen, als sei der Planet wieder in seine vulkanische Vorzeit zurückgefallen.
Eigenartigerweise wurden nur Chaboya und damit auch der K’ton Klub als Inseln des Friedens verschont. Sten und Alex hatten alles genau vorbereitet. Immer, wenn der Mob den Bezirk des Sündenbabels stürmen wollte, gelang es ihren Agenten, die Massen davon abzulenken und sich wehrlosere Opfer auszusuchen, die viel eher eine Bestrafung
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