Feindgebiet
Ablenkungsmanöver, das Sie sehr klug gegen Al-Sufi gerichtet haben. Es fehlt jedoch eine Sache. Diese Streitmacht muss von jemandem befehligt werden, den das Imperium als unseren absolut besten und gefürchtetsten Strategen kennt.«
Lady Atago spürte, wie ihre Wangen rot wurden und ihre Hand zur Dienstpistole wanderte; sie musste sich zwingen, nicht die Nerven zu verlieren.
»Ich fühle mich sehr geehrt«, presste sie zwischen den Zähnen hervor, wobei sie selbst staunte, dass ihre Stimme nicht zitterte.
»Aber wenn ich den Ablenkungsangriff leite, wer soll dann meine zwölf Flotten anführen, beziehungsweise meine zwölf Flotten plus jene zusätzlichen Elemente, die der Rat dem Hauptangriff zugeschlagen hat?«
»Da es sich hierbei um einen bedingungslosen und uneingeschränkten Schachzug handelt«, entgegnete Lord Fehrle, »sollten wir, die wir den Angriff leiten, lückenlos die Macht unseres Imperiums repräsentieren.«
Lady Atago gelang noch eine formelle Verbeugung vor dem Willen der Tahn, ein formeller Salut vor dem Mann, der sie bei dem größten Angriff ersetzen würde – Lord Fehrle. Dann verließ sie den Raum.
Sie schaffte es irgendwie bis in ihr eigenes Quartier, wo sie fast explodierte und ihrer Wut und ihrem Zorn mit Worten Ausdruck verlieh, denen sogar ein Raumhafenarbeiter der Tahn uneingeschränkte Bewunderung gezollt hätte.
Dann beruhigte sie sich wieder.
Sie zog ihre Pistole aus dem Hüftholster.
Jawohl, ihre Ehre war besudelt worden. Aber nicht, das war ihr klar, aufgrund ihres eigenen Verschuldens. Ihr war Ungerechtigkeit widerfahren. So ging es nun einmal, derlei Dinge passierten immer wieder. Sie hatte sich schon über so viele falsche Entscheidungen erhoben, so, wie es ihre ganze Rasse immer wieder geschafft hatte, Niederlagen in Siege zu verwandeln. Sie würde die Befehle also akzeptieren. Sie würde diese Ablenkungsflotte kommandieren. Sie würde mehr tun, als jeder Opportunist je fertig bringen würde. Und sie würde bereit sein, bereit, jederzeit einzugreifen.
Denn sie wusste, dass ihr Plan funktionieren würde; selbst mit Lord Fehrles idiotischen Abwandlungen. Doch nachdem Durer vernichtet war und die vereinten Tahn-Flotten zum Schlag gegen die Erstwelt ausholten, würde auch Lord Fehrle merken, wie schwer es wirklich war zu führen; dass es nicht genügte, den Schlachtenlenker abzulösen und sich in letzter Minute an die Spitze zu setzen.
Sie wusste genau, dass Fehrle zum endgültigen Sieg ihrer Hilfe bedurfte.
Und sie wusste auch, dass sie ihn nach dem Sieg über das Imperium für sein Verhalten teuer bezahlen lassen würde.
Kapitel 26
Noch knapp ein halber Meter lag vor ihm. Sten konnte die feuchtdunkle Kälte der Tahn-Nacht hinter der dünnen Erdschicht auf der anderen Seite des Tunnels beinahe fühlen. Sie saugte unablässig an ihm, wie ein riesenhafter Mond der Freiheit bei Flut. Er musste nur noch ein bisschen mehr Erde wegkratzen, dann war er draußen. Die langen Jahre als Gefangener der Tahn würden vorbei sein, und er müsste sich nur noch um das eigene Überleben kümmern.
Er drehte sich um, würgte in der beißenden, vom Qualm der Fettlampen angereicherten Luft. Seine Augen tränten. Erwischte die Tränen mit dem Hemdsärmel weg und blickte in die Runde seiner Leute, der Männer und Frauen, die er für den Ausbruch handverlesen hatte.
»Zusammengewürfelt« war noch ein schmeichelhafter Ausdruck. Einige, wie Cristata und seine drei Jünger, waren in das schmucklos blasse Braun und Grün der Tahn-Bauern gekleidet. Ibn Bakr hatte sein ganzes näherisches Talent in die Kreation der Uniformen für sich und seine Partnerin, eine schmächtige Frau namens Alis, gelegt. Bakr trug etwas, das wie die glitzernde Uniform eines Drei-Sterne-Admirals aussah; Alis’ Uniform stand ihr kaum nach.
Tatsächlich waren sie als Inspektor eines A-Grav-Zuges und seine Helferin kostümiert. Ihre Papiere besagten, dass sie sich auf Inspektionsreise zu allen wichtigen Knotenpunkten auf Heath befanden. Als ihm Ibn Bakr die Skizzen für seine Entwürfe vorgelegt hatte, musste Sten herzlich lachen, was ihm beim Anblick von Ibn Bakr, der wie eine beleidigte Dogge aussah, jedoch sogleich leid tat. Es gab nichts Bedauernswerteres als einen Riesen, dessen Lefzen bis fast zu den Knien herabhingen. Dann hatte ihn Ibn Bakr über die Schwäche der Tahn für ausgefallene Uniformen aufgeklärt, und darüber, dass oft die niedrigsten Dienstgrade die schillerndsten Klamotten trugen.
»Sie
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