Feine Familie
ich, gibt es Zabaglione mit Champagnergeschmack und anschließend überbackene Gorgonzolaschnittchen ...« Während Croxley die Anweisungen aufschrieb, gab er sich Mühe, seine Phantasie zu zügeln. »Und wo soll Professor Yapp zu schlafen versuchen?« fragte er schließlich. »Im Nordflügel. Stecken Sie ihn in die Suite, die der König von Belgien 1908 bewohnt hat. Das sollte seine historische Phantasie etwas aufwühlen.«
»Ich bezweifle, daß ihm nach diesem Dinner noch viel Zeit für seine historische Phantasie bleibt«, sagte Croxley. »Ich würde ihn etwas näher beim Reanimationsteam unterbringen.« Lord Petrefact fegte seinen Einwand beiseite. »Das Schlimme an Ihnen ist, daß Sie überhaupt keine Phantasie habenCroxley.«
Croxley hatte, war aber klug genug, es nicht zu sagen. »Phantasie, Croxley, das ist es, was einen großen Mann ausmacht. Wir haben da diesen Yapp, und wir wollen was von ihm, also ...«
»Was denn?«
»Was soll das heißen: was denn?«
»Was in drei Teufels Namen sollten ausgerechnet wir von einem verrückten sozialistischen Radikalen wie Yapp wollen?«
»Kümmern Sie sich nicht darum, was wir von ihm wollen«, sagte Lord Petrefact, der die Ergebenheit seines Sekretärs der Familie gegenüber zu sehr schätzte, um einen ernsthaften Streit zu provozieren. »Tatsache ist, daß wir etwas wollen. Ein Mann ohne Phantasie würde nun davon ausgehen, daß es das beste sei, ihm das Anliegen geradeheraus vorzutragen. Wir wissen, daß er ein extremer Linker ist und uns als Kapitalistenschweine betrachtet. Dagegen können wir nichts unternehmen. Also müssen wir unsere Rolle spielen und ihn bei seiner Eitelkeit packen. Haben Sie das verstanden?«
»Durchaus, Sir«, sagte Croxley, der gar nichts verstanden hatte, außer daß er mit Sicherheit bald eine Magenkolik bekommen würde, wenn er sich nicht umgehend mit den Kühlkostkerlen verständigte. »Wenn Sie nichts dagegen haben, gehe ich jetzt und kümmere mich um die Vorbereitungen.« Er eilte aus dem Zimmer. Lord Petrefact drückte auf den Knopf am Rollstuhl, rollte hinüber zum Fenster und schaute mißbilligend in den Garten hinunter, den sein Großvater so penibel angelegt hatte. »Zwerg auf dem Misthaufen« hatte ihn das alte Scheusal genannt. Jetzt war der Zwerg das Oberhaupt dieses familiären Misthaufens und auf dem besten Weg, das Ansehen der Familie, die ihn von jeher verachtet hatte, zu zertrümmern. Auf seine Art haßte Lord Petrefact diese Familie fast so glühend wie Waiden Yapp, wenn auch aus persönlicheren Gründen.
Kapitel 4
Waiden Yapp fuhr mit einem Mietwagen nach Fawcett. Ansonsten fuhr er überallhin mit dem Zug. Doch bei Fawcett House gab es weit und breit keine Bahnstation, und eine Anfrage bei Doris, dem Computer, hatte ihm nur bestätigt, daß er weder mit dem Bus noch mit einem anderen öffentlichen Verkehrsmittel dorthin gelangen konnte. Einen eigenen Wagen besaß Yapp aus Überzeugung nicht, teils, weil er der Ansicht war, daß alles Staatseigentum sein sollte, teils aufgrund seiner Naturschützermentalität, die Lord Petrefact so zutreffend diagnostiziert hatte, vor allem aber, weil Doris ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, daß die für den Unterhalt eines Autos erforderlichen zwölf bis fünfundsiebzig Pfund für die Ernährung und medizinische Versorgung von vierundzwanzig Kindern in Bangladesh ausreichen würden. Dann hatte sie dieses Argument jedoch wieder entkräftet, indem sie nachwies, daß er durch den Kauf eines Autos, je nach Fabrikat, Arbeitsplätze in der Autoindustrie für fünf Briten, zwei Deutsche oder einen halben Japaner schaffen würde. Nach einem heftigen Gewissenskampf entschloß sich Yapp, die Arbeitslosigkeit von fünf britischen Fabrikarbeitern in Kauf zu nehmen und gar kein Auto zu erwerben. Das auf diese Weise gesparte Geld stiftete er Oxfam, nicht ohne die traurige Überlegung anzustellen, daß es wahrscheinlich eher zwei Verwaltungsbeamte hinter ihrem Schreibtisch als irgendwo anders Verhungernde am Leben erhielt.
Doch als er in die Auffahrt von Fawcett House einbog, kreisten seine Gedanken nicht etwa um die Not in der Dritten Welt, sondern um die vulgäre, maßlose Selbstüberschätzung, die die Petrefacts mit dem Bau dieses gigantischen Landsitzes demonstriert hatten. Fawcett House war ein grauenhafter Palast, und die Vorstellung, daß es noch immer stinkreiche Leute gabdie derart weitläufige Besitzungen ihr eigen nannten, stieß ihn ab. Noch abstoßender fand er die affektierte
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