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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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hinunter. Croxley erwartete ihn in seinem Arbeitszimmer. Er trug ein sportliches Wollsakko, ein Flanellhemd und eine Strickkrawatte und fühlte sich sichtlich unwohl.
    »Das wäre nicht nötig gewesen«, sagte Yapp ziemlich gereizt. »Wir möchten, daß unsere Gäste sich hier wie zu Hause fühlen«, erwiderte Croxley, der von Lord Petrefact Anweisung erhalten hatte, sich leger zu kleiden.
    »Das wird mir in diesem Palast wohl kaum gelingen. Eigentlich sollte das hier ja ein Museum sein.«
    »Ist es die meiste Zeit auch«, sagte Croxley und öffnete eine Tür. »Nach Ihnen.«
    Yapp trat ein und kehrte damit zu seiner Überraschung in die Mitte der siebziger Jahre zurück. Der Salon wirkte ebenso unaufdringlich wohnlich, wie das Gegenteil auf den Rest des Hauses zutraf. Der Boden war mit einem rostbraunen Teppich ausgelegt, in einer Ecke flimmerte ein Fernsehapparat, und in einem schlichten, geschmackvollen Kamin, vor dem ein niedriger Tisch und eine große, moderne Couch standen, brannten dicke Holzscheite.
    »Bedienen Sie sich«, sagte Croxley und wies auf ein Eckschränkchen, das die Hausbar beherbergte. »Ich hole inzwischen den alten Herrn.«
    Als Yapp allein war, blickte er sich verwundert um. Rings an den Wänden hing moderne Kunst. Klee, Hockney, ein Matisse, zwei Picassos, mehrere abstrakte Bilder, die Yapp nicht zuordnen konnte, und, unglaublich in dieser Umgebung, sogar ein Warhol. Doch bevor sich seine Verblüffung in Widerwillen über diese finanzielle Ausbeutung des Kunstbetriebs verwandeln konnte, wurden Yapps Gefühle erneut aufgewühlt. Durch eine kleine Tür neben dem Kamin kamen eine mürrische Stimme, ein paar Hauspantoffeln und die Chromspeichen eines Rollstuhls. »Ah, mein lieber Junge, wie nett von Ihnen, daß Sie den weiten Weg gemacht haben«, begrüßte ihn Lord Petrefactdessen Versuch zu lächeln Yapp ebensowenig zu bezaubern vermochte wie die abstrakte Nackte in Stücken von Jaroslav Sowieso. Ein mit der Realität besser vertrauter Mensch hätte dieses Lächeln als grausiges Omen gedeutet; für Waiden Yapps tief verwurzelten Glauben an Mitgefühl und Anteilnahme beinhaltete es den tapferen Versuch, körperliche Gebrechen zu überspielen. Von einer Sekunde zur nächsten war Lord Petrefact in seinen Augen vom kapitalistischen Blutsauger zum alten, behinderten Mitmenschen geworden.
    »Aber nicht doch«, murmelte er, während er verzweifelt versuchte, den Wirbel widersprüchlicher Gefühle zu entflechten, in den ihn Lord Petrefacts traurige Erscheinung gestürzt hatte. Und ohne sich dessen so recht bewußt zu sein, schüttelte er die schlaffe Hand eines der reichsten und, davon war er fest überzeugt, skrupellosesten Ausbeuter der Arbeiterklasse Großbritanniens. Wenig später saß er mit einem Whisky Soda auf der Couch, während der alte Mann sich des langen und breiten darüber ausließ, wie befriedigend es doch sein mußte, sich in einer Welt, der es an Menschen mit Professor Yapps Engagement bitter mangelte, mit Haut und Haaren jungen Menschen zu widmen.
    »So würde ich das nicht sagen«, wandte Yapp ein. »Natürlich tut man sein Bestes, aber unsere Studenten sind nicht gerade die hellsten.«
    »Ein Grund mehr, ihnen die beste Ausbildung angedeihen zu lassen«, meinte Lord Petrefact, der mit einer Hand ein Glas Milch umklammerte, während er in der anderen ein Taschentuch hielt, mit dem er sich ein Auge abtupfte, um diesen mageren Menschen genauer unter die Lupe nehmen zu können. In seinen Augen verkörperte er die gefährlichste und scheinheiligste Spezies der heutigen Zeit: die fanatischen Verfechter einer Ideologie. Wenn Yapp feste Vorstellungen von Kapitalisten hatte, so hatte Lord Petrefact ebenso extreme Vorurteile gegenüber Sozialisten. Aufgrund von Yapps Ruf hatte er allerdings etwas Eindrucksvolleres erwartet. Einen Augenblick lang geriet sein Entschluß ins Wanken. Es war wohl kaum der Mühe wert, einen Mann, der wie eine Kreuzung aus unerfahrenem Sozialarbeiter und Prälat aussah, als Bluthund auf die Familie zu hetzen, um ihr das Leben zur Hölle zu machen. Die Saukerle würden ihn bei lebendigem Leib auffressen. Andererseits konnte Yapps Auftreten täuschen. Seine Entscheidungen als Schlichter, insbesondere die neunzigprozentige Gehaltserhöhung für Garderobe– und Toilettenpersonal, waren so offensichtlich durch politische Vorurteile bestimmt, und die Forderung, daß Straßenkehrer genauso bezahlt werden sollten wie medizinische Gutachter, war derart absurd, daß sie

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