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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Versuchung »abgeleiteter Ego-Identität« erlegen waren, um einen Terminus zu gebrauchen, dessen er sich häufig in Vorlesungen bediente, so war das nicht weiter verwunderlich; überraschend war eher, daß sie sich überhaupt noch ein Gefühl für Menschlichkeit bewahrt hatten. Der kleine Mann in seinem dunklen Anzug mit Weste und den blitzblank geputzten Schuhen hatte damit, daß er sich als zur Dienerschaft gehörig bezeichnete, ganz erstaunliches Selbstbewußtsein bewiesen. Waiden Yapp beschloß, sich seine heftigeren Ausbrüche von Klassenbewußtsein für Lord Petrefact aufzusparen.
    In der Zwischenzeit inspizierte er das Gemach, das einst den König beherbergt hatte, der das gesamte Belgisch-Kongo als sein persönliches Eigentum beanspruchte. Es war entsprechend üppig und geschmacklos eingerichtet: ein riesiges Bett, eine klotzige Frisierkommode, auf die Yapp seine Intourist-Tasche in der trotzigen Absicht stellte, das eingelegte königliche Wappen zu verdecken, und ein Kamin, über dem ein Gemälde des Königs in Uniform hing. Etwas wirklich Interessantes allerdings entdeckte er, als er durch einen kleinen Nebenraum, offenbar das Ankleidezimmer, das Bad betrat. Für einen Historiker mit einer besonderen Vorliebe fürs Objektive und, um ihn nochmals zu zitieren, für »substantielle Manifestationen des Klassenunterschiedes« enthielt dieses Badezimmer wahre Schätze an viktorianischer Sanitärinstallation. Badewanne, Wasserclosett und Toilettenschüssel waren in Mahagoni eingebettet, über dem Waschbecken hing ein riesiger Buntglasspiegel, daneben ein voluminöser, beheizbarer Handtuchständer und ein Wandschrank mit mehreren überdimensionalen Handtüchern. Doch am meisten faszinierte ihn die Badewanne oder vielmehr die seitlich angebrachte Batterie von Hähnen, Drehknöpfen und Hebeln. Die Wanne war außerordentlich groß, sehr tief und mit ihrem Baldachin und den wasserdichten Vorhängen einem Himmelbett nachempfunden. Yapp beugte sich darüber und betrachtete die verschiedenen Meßgeräte. Eines zeigte die Temperatur an, ein zweites den Wasserdruck, und neben dem dritten und größten befanden sich ein Hebel und eine Art Wählscheibe mit mehreren markierten Einstellungen. Yapp setzte sich auf den Rand der Wanne, um besser lesen zu können, und hatte einen schrecklichen Augenblick lang das Gefühl, als würde er seitlich abrutschen. Er sprang auf und blickte mißtrauisch auf das Ungetüm. Das verdammte Ding hatte sich bewegt. Vor seinen Augen kehrte es wieder in seine horizontale Lage zurück. Sonderbar. Vorsichtig streckte Yapp die Hand aus und drückte auf die Mahagoniverkleidung. Nichts rührte sich. Da er nicht riskieren wollte, die Wanne wieder in Bewegung zu versetzen, kniete er sich auf den Boden, um sich die Scheibe mit dem Hebel genauer anzusehen. Am einen Ende der Skala stand WELLEN, am anderen DAMPF. Und zwischen diesen beiden ziemlich beunruhigenden Kommandos – bei genauerer Betrachtung erinnerte ihn das Ganze an die Meßgeräte auf den Kommandobrücken großer Schiffe, die er freilich nur aus Filmen kannte – gab es noch andere. Nach WELLEN kam FLUT, gefolgt von STARKE WELLEN, dann RUHIG und schließlich drei Stärken DÜSENMASSAGE, nämlich STARK, MITTEL und SCHWACH. Es war einfach faszinierend, so daß Yapp einen Moment lang ein Bad zu nehmen erwog, um dieses außergewöhnliche Beispiel für die frühe Automatisierung im häuslichen Sanitärbereich auszuprobieren, das die imperialistische Zwangsvorstellung von der Überlegenheit auf See, vom Suezkanal und von Handelswegen nach Indien demonstrierte. Doch war es bereits nach sechs, so daß er, nachdem er diesen Kommentar in seinem Notizbuch festgehalten hatte, das er stets bei sich trug, wenn er nicht mit Doris in Verbindung stand, den Plan fallenließ. Statt dessen fertigte er eine Skizze von der ganzen Anlage mit genauen Maßangaben an und notierte sich die verschiedenen Hebelpositionen. Als er damit fertig war und das Bad verlassen wollte, fiel sein Blick auf ein vergilbtes Blatt Papier, das in einem Rahmen neben dem Waschbecken hing. Offenbar handelte es sich um die Bedienungsanleitung für DAS SYNCHRONISIERTE WELLENBAD. Yapp las sie durch und stellte fest, daß bei einer Kombination von WELLEN und WASSERVERDRÄNGUNG »die Höhe des Wasserspiegels in der Badewanne zwei Drittel« betragen mußte. Der nächste Satz war durch den Dampf und die Zeit unleserlich geworden. Yapp durchquerte das Zimmer, folgte dem Gang bis zur Treppe und ging

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