Feine Milde
Atmosphäre paßte so gar nicht zum nüchternen Anlaß der Konferenz: das Projekt UNICEF-Schule sollte nun endlich konkret werden. Auf den drei weißgedeckten Tischen waren kleine Saft- und Wasserflaschen gruppiert, aber auf der Anrichte glitzerten schon neben Kristallkelchen die Champagnerkübel. Man rechnete mit einem erfolgreichen Abschluß.
Der Geschäftsführer der EUREGIO hatte eingeladen, und alle waren gekommen: ein Vertreter der Landesregierung saß gemeinsam mit dem zuständigen Dezernenten des Kultusministers neben dem Euregiomann und seiner Sekretärin an der Stirnseite, flankiert von zwei Anwälten einer alteingesessenen Klever Kanzlei. Am rechten Tisch, als Vertreter der MEILE, Heino Müller und Christa Salzmann-Unkrig mit ihrem Gatten, neben ihnen der Architekt und Bauunternehmer Knut Fährbach und drei Männer von der Stadt – Bauamt, Liegenschaften und ein Abgesandter des Stadtdirektors.
Die Stadt konnte ein Grundstück anbieten, zweieinhalb Hektar Wald und Wiese, gleich am Wolfsberg. Fährbach war das Stück Land zu groß und zu teuer, aber die Stadt hatte Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Doch so weit war es noch nicht. Es gab Grundlegendes zu klären; die wichtigsten Herren des Abends saßen am linken Tisch, die Investoren: zwei Japaner, zwischen ihnen Herr Sato, der flüsternd nach rechts und links übersetzte, und Mr. Clarke, ein Engländer, der nicht nur durch seine Kleidung aus dem Rahmen fiel. Im Gegensatz zu den anderen Herren trug er keinen dunklen Anzug mit Krawatte, sondern ein helles Sommerjackett mit knittrigem Hemd und Seidenschal. Am auffälligsten war jedoch sein unbeteiligter, zuweilen sogar gelangweilter Gesichtsausdruck. Er war der Chef eines europaweiten Konzerns, dessen Klever Filiale Heino Müller leitete.
Die Konferenz verlief zügig. Der Regierungsvertreter hatte erläutert, wieviel Unterstützung jetzt und in Zukunft vom Land zu erwarten war, auch die EUREGIO sicherte langfristige finanzielle Hilfen zu. Die konkreten Zahlen lagen vor, die Investoren rechneten.
Allenfalls Frau Salzmann-Unkrig war leicht erstaunt, als jetzt Bedingungen auf den Tisch kamen: die japanische Firma war bereit, den größten Teil der benötigten Summe zu investieren, machte aber gleichzeitig den geplanten Ausbau ihrer Produktionsstätte vor Ort – immerhin 280 weitere Arbeitsplätze – abhängig von der Gründung der Schule. Im Gegenzug zum Firmenausbau möge die Stadt das Grundstück am Wolfsberg kostenlos zur Verfügung stellen und darüber hinaus einen Großteil der Erschließungskosten übernehmen. Die Herren von der Stadt nickten gelassen, die Sache war bereits durchgerechnet worden.
Auch Mr. Clarke stellte eine größere Summe in Aussicht. Sollte es zur Gründung dieser Schule kommen, sähe er auch keine Probleme mehr, den englischen Militärflughafen des Kreises in Laarbruch zu einem Privatflughafen auszubauen. Weiter ging er kurz auf den internationalen Charakter der Schule ein und regte an, auch englische Lehrer einzustellen. Er bestand darauf, daß dieser Gedanke ins Protokoll aufgenommen wurde.
»Ich möchte nun einen sehr wichtigen Punkt ansprechen«, begann der Mann von der EUREGIO, »den Träger der geplanten Schule.« Er wandte sich an Heino Müller und Christa Salzmann-Unkrig. »Ihr Verein MEILE e.V. hatte die Grundidee zu dieser großartigen Sache. Das wissen wir wohl alle hier zu schätzen, aber ich möchte nicht lange um den heißen Brei herumreden. Ich denke, Sie werden mir in diesem Punkt zustimmen, daß ein Projekt dieser Größenordnung von kompetenten Fachleuten geführt werden muß und wir uns nicht in die Abhängigkeit von Mehrheitsverhältnissen in einem gemeinnützigen Verein begeben dürfen.« Er räusperte sich. »Nun, liebe Frau Salzmann-Unkrig, Sie werden das sicher genauso sehen wie wir, daß die politischen Tendenzen in dem Verein MEILE nicht ganz den unsrigen entsprechen.«
Die beiden Anwälte wachten auf, raschelten mit Papieren.
Christa Salzmann-Unkrig lächelte mit steifer Oberlippe.
»Aber … die MEILE …« Sie versuchte, Zeit zu gewinnen.
»Dieser Verein hat stets nach dem Motto gearbeitet, daß soziales Engagement Parteigrenzen überschreitet.«
Der Euregiomann schaute nachgiebig. »Seien Sie versichert, Frau Salzmann-Unkrig, jeder von uns hier bewundert Ihr soziales Engagement, aber wir stimmen wohl in dem Punkt überein, daß gewisse Sicherheiten unabdingbar sind.«
Sie stupste Heino Müller an. »Sag doch was!«, aber der
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