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Feine Milde

Feine Milde

Titel: Feine Milde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Aber es gab kein Ungleichgewicht. Sie war nie das wißbegierige Mädchen, er nicht der souveräne Lehrmeister. Sie wußte verdammt genau um sich selbst, und so wie es aussah, hatte sie sich bewußt für ihn entschieden. Der Punkt war nur: er hatte sich nicht entschieden. Er hatte nicht nachgedacht, abgewogen und dann gesagt: ich will. Und jetzt auch noch ein Kind. Ein Baby, neu Vater sein, mit all dem, was er inzwischen wußte, gelebt hatte? Kleine intakte Familie!
    Finster starrte er auf die Betonwand zum Nachbarbalkon.
    Astrid legte langsam die Zeitung auf den Boden und sah ihm ins Gesicht.
    »Ich hab dir das heute morgen schon gesagt, es muß nicht sein mit dem Kind. Nicht jetzt sofort. Ich bin dir zu schnell, nicht wahr?«
    Er schüttelte automatisch den Kopf, schaute über das Balkongitter in die Ferne, die es nicht gab, und schwieg.
    Sie nahm die Beine vom Stuhl und setzte die Füße sorgfältig nebeneinander.
    »Du weißt, daß ich jederzeit zurück kann in meine alte Wohnung. Wenn du willst, bin ich morgen weg.«
    »Nein.« Er glitt vom Stuhl, umfaßte ihre Schenkel, war nur traurig.
    Sie legte ihre Hand auf seinen Kopf. »Ich liebe dich.«
    »Ja. Es ist nur.«
    »Ich weiß.«
    »Nein, ich will mit dir leben, aber. Laß uns eine größere Wohnung finden. Ich hab das Gefühl, ich brauche einfach mehr Luft.«
    »Ich gucke dauernd in die Zeitung, Helmut, aber bis jetzt war da nichts. Sollen wir einen Makler einschalten?«
    »Ja.« Er stand auf. »Soll ich das übernehmen?«
    »Nein«, lächelte sie. »Laß mich das tun, mir macht so was Spaß.«
    Er lehnte unschlüssig am Balkongitter.
    Sie grinste. »Also, ich bleibe noch eine ganze Weile hier sitzen und lese.«
    »Dann geh ich schon mal rein und höre ein bißchen Musik.«
    »Gut.« Sie meinte es so.

    Van Appeldorns Feierabend begann unbequem.
    »Du glaubst doch wohl nicht, daß ich die ganze Strecke allein fahre, mit zwei Kindern hinten im Auto!«
    Marion wühlte die Hände durchs Haar, bis ihr die Hennazotteln wirr vom Kopf abstanden.
    Sie hatten für vierzehn Tage ein Ferienhaus in Dänemark gemietet und am Freitag losfahren wollen.
    Van Appeldorn zuckte die Achseln und schlappte in die Küche. Sie kam gleich hinterhergeschossen. »Helmut und Astrid sind doch jetzt da, und Ackermann auch!«
    Er öffnete den Kühlschrank, aber es war kein Bier da.
    »Wenn du glaubst, ich hocke mutterseelenallein mit den Kindern in so ’ner Ferienbude mitten in den Dünen! Was soll das mit Urlaub zu tun haben? Da kann ich doch besser zu Hause bleiben.«
    »Du könntest ja eine Freundin mitnehmen.«
    »Eine Freundin?« Ihre Stimme kippte. »Welche Freundin?«
    Er zog sein Portemonnaie aus der Tasche, zählte die Scheine, steckte es wieder weg und ging durch den Flur auf die Haustür zu.
    »Das ist ja wohl typisch!« brüllte sie. »Wenn man mal mit dir reden will, wenn’s mal Probleme gibt …«
    Im Kurfürsten stand die übliche Truppe am Tresen, nickte grüßend, nicht überschwenglich. Die ersten drei Bier kippte van Appeldorn schweigend auf Ex, die nächsten beiden auch nicht wesentlich langsamer. Dann stand er auf, nahm das frische Bier, hielt es in der typischen Art, das Handgelenk nach innen gewinkelt, so als müsse er das Glas schützen oder verstecken, und ging zum Spielautomaten.
    »Hee«, rief einer der Thekenhocker ihm nach. »Scheint dir ganz schön an die Nieren zu gehen, der Tod von deinem Kollegen, wa?«
    »Kann man wohl sagen«, nickte van Appeldorn dem Spielautomaten zu.

15
    Die EUREGIO hatte, als Gastgeber, in ihre Räume im Haus Schmithausen in Kellen geladen.
    Schmithausen war einst die Zollstation der Grafen und Herzöge von Kleve, damals im Mittelalter, als der Hauptarm des Rheins noch am Fuße der Schwanenburg floß und mit den Schiffen den Wohlstand brachte. Als Cleve, in der Mitte des wichtigen Handelsweges gelegen, verbrüdert mit den großen Herrscherhäusern Europas ein machtpolitisches Zentrum war; so bedeutend immerhin, daß Heinrich VIII. von England Anna, die Tochter Herzog Johans III. von Cleve, ehelichte, um so Kaiser Karl V. von Spanien die Stirn zu bieten und auf dem Kontinent Fuß zu fassen. Aber wer wußte das heute noch?
    Haus Schmithausen war ein hübsches kleines Anwesen, gleich hinter dem alten Deich, über die Jahre gehütet und gepflegt. Die weit geschwungene Eichentreppe, dunkel von den Jahren, führte hinauf in den großen Saal mit honigfarbenem Parkettboden, französischen Fenstern und zierlichen Kronleuchtern. Die

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