Feine Milde
verschollen.«
»Kann von mir aus auch so bleiben.«
In diesem Augenblick wurde langsam die Tür aufgeschoben.
»Leider doch keine Erscheinung«, stöhnte van Appeldorn gequält auf. »Ich denk, du bist auf Mallorca!«
Es war Jupp Ackermann, ein Kollege vom Betrugsdezernat. Klein, ungepflegt, laut, absolut heimatbesessen trug er das Herz stets auf der niederrheinischen Zunge. Er kannte alles und jeden, hielt damit auch nicht hinterm Berg und wußte über die meisten Leute besser Bescheid als sie über sich selbst. Die Meinungen der Kollegen über ihn gingen weit auseinander; Toppe schätzte ihn, trotz der Nerven, die er kostete, als unermüdlichen Arbeiter, der nie jammerte, dem es nie zuviel wurde.
Ackermann schlurfte herein, geblümte Bermudas, ein T-Shirt, auf dem blaue Buchstaben Welch ein Tag! jubelten, neongrüne Badelatschen. Die Haarzotteln fielen ihm fettig in die Stirn, und in seinem langen, dünnen Bart klebte Eigelb.
»Heute morgen war ich au’ noch auf Mallorca, aber dann krieg ich diese Zeitung in die Finger. Wenn man dat Zeitung nennen kann. Is’ et denn wirklich wahr? Ich kann dat immer noch nich’ glauben!«
Tränen schossen ihm in die Augen, quollen über, die dicken Brillengläser beschlugen.
Alle außer van Appeldorn schauten betreten vor sich hin, aber Ackermann war es überhaupt nicht peinlich. Er legte die nasse Brille auf Toppes Schreibtisch, und während er sich erzählen ließ, weinte er immer wieder, schneuzte sich ein paarmal laut. Er hatte Breitenegger fast so gut gekannt wie die anderen, schließlich hatte er oft genug im K 1 ausgeholfen, wenn sie knapp besetzt waren; freiwillig war er eingesprungen, denn »Mord war sozusagen sein Hobby«, wie er zu sagen pflegte. Heute war nichts übrig von den lockeren Sprüchen. Er kramte all seine Erinnerungen an Günther Breitenegger hervor, und schließlich suchte auch Astrid in ihrer Tasche nach Tempotüchern.
»Heute morgen nach ’m Frühstück komm ich anner Rezeption vorbei un’ seh die Zeitung: Günther B. aus Kleve. Dat kann nich’, sach ich mir. So wat gibbet bloß im Krimi. Ich dann sofort mein Schwager in Nütterden angerufen. Gut, dat der grad Urlaub hat. ’ne Stunde später saß ich schon im Flieger – last minute, stand-by, oder wie dat heißt. Ein Platz frei. Wenn dat kein Schwein is’, weiß ich et nich’. Aber ich sach et ja immer: wenn et richtich hart auf hart kommt, dann habbich den lieben Gott auf meine Seite, schon immer. Mein Schwager hat schon in Lohausen gewartet. Jetz’ bin ich hier. Wat kann ich tun?«
»Und deine Familie hast du auf Mallorca gelassen?« fragte van Appeldorn.
»Au, erinner mich bloß nich’! Meiner Alten brauch ich die nächsten Wochen nich’ unter die Augen kommen.«
Er war mit einer Holländerin verheiratet, die nicht nur in ihrer äußeren Erscheinung ziemlich dominant war. Drei Töchter hatten sie.
»Aber da habbich gar keine Verträge mit. Wofür hat der Mensch Freunde? Is’ doch wohl Ehrensache, dat ich Urlaub Urlaub sein laß un’ mithelf, dat wir dat Schwein kriegen.«
Das Telefon klingelte.
»Was hältst du davon, wenn du dir erst mal was Anständiges anziehst?« spottete van Appeldorn und nahm den Hörer ab.
Ackermann sah verdutzt an sich herunter. »Ach Gott, dat habbich in der Hektik gar nich’ gemerkt. Mein Koffer is’ noch auffer Insel, un’ den hat die Mutti gepackt. Ich weiß gar nich’, ob ich no’ wat im Schrank hab. Un’ meine Karre müßt ich wohl auch ebkes holen.«
»Ich kann Sie nach Hause fahren, wenn Sie wollen«, bot Astrid an.
»Hör mal, Walter, was ist eigentlich mit den ganzen Zeugen vom Kartenspielerweg?« fragte Toppe, als die beiden gegangen waren.
»Nichts ist damit«, antwortet Heinrichs. »Lauter hilfsbereite Menschen, aber keiner von denen hat Günther oder die beiden Holländer gesehen. Jede Menge Autos sind beobachtet worden, aber ein roter Mercedes war nicht dabei. Ich habe das sofort nachgeprüft, als das Fax gekommen ist.«
Van Appeldorn legte endlich den Hörer auf. »Das war Lowenstijn. Die haben Rob de Boer gefunden. Schwamm tot in einer Gracht in Amsterdam, erstochen. Nach dem anderen, diesem Smit, tauchen sie noch.«
»In Amsterdam«, meinte Toppe nachdenklich. »Ist Broek in Waterland nicht ganz in der Nähe?«
»Genau. Lowenstijns Leute sind gerade dabei, diesen Fahrradverleih auf den Kopf zu stellen. Auf jeden Fall will er wissen, mit wem de Boer in Kleve Kontakt aufgenommen hat. Er faxt uns gleich alles rüber, was
Weitere Kostenlose Bücher