Feine Milde
dem Berg hielten, aber es war wohl kaum der rechte Moment nachzuhaken.
Frau Joosten hatte gesehen, daß Heiderose Jansen am Samstag morgen mit den Kindern, einer Reisetasche und Fahrrädern auf dem Dachgepäckträger, weggefahren war.
»Ich habe gedacht, die wäre mal wieder übers Wochenende zu ihren Eltern«, meinte sie. »Hast du gesehen, daß sie zurückgekommen ist?« Ihr Mann schüttelte den Kopf.
Das kleine Mädchen wußte mehr. Kassandra hatte ihr erzählt, daß ihre Mutter übers Wochenende ein Zimmer leer räumen und herrichten wollte, weil am Montag ein Mann einziehen sollte.
»Ein Mann?« fragte Toppe.
Herr Joosten lachte laut. »Schon wieder! Wissen Sie, Herr Kommissar, die Jansen hat irgendwie so ’ne soziale Macke. Immer wenn irgendwo ein Ehemann zu Hause rausfliegt, dann öffnet sie ihre Pforten. Obwohl …«, er senkte die Stimme, »ich frag mich ja, ob es nur die Pforten.«
»Kurt!« zischte seine Frau ihn an.
Toppe erinnerte sich an eine unangenehme Pflicht und nahm seinen Notizblock. »Kennen Sie die Adresse der Eltern?«
»Nein«, antwortete Frau Joosten. »Ich weiß nur, daß die in Rees wohnen.«
»Und wie die mit Nachnamen heißen?«
»Ich meine, die hießen auch Jansen.«
Das Mädchen nickte bestätigend.
»Was ist mit dem Vater der Kinder? Wohnt der in Kleve?«
Schulterzucken. Toppe sah die Tochter an. »Ja, der wohnt in der Spyckstraße. Gleich neben der Schule, hat Kassy gesagt. Und er heißt Fred, und Jansen mit einem ’s’, und Kassys Opa schreibt sich mit zwei ’s’. Wir machen da immer Witze drüber. Kassy sagt, eigentlich müßte sie sich mit drei ’s’ schreiben, weil wenn man die Namen zusammenzählt.« Sie kicherte ein bißchen, ganz vorsichtig.
»Jansssen!«
Toppe lächelte ihr zu und verabschiedete sich dann.
Viertel vor sieben – erst frühstücken? Nein, er wollte es lieber schnell hinter sich bringen.
Auf der Wache war gerade Schichtwechsel gewesen. Er trank einen Becher Kaffee im Stehen, beantwortete ein paar neugierige Fragen. Kollege Flintrop meinte, Heiderose Jansen zu kennen. »Kann sein, ich täusche mich, aber ich meine, die hätte hier schon mal Anzeige erstattet wegen Umweltvergehen und so Sachen.«
Toppe ging hoch ins leere Büro, verständigte die Brandexperten in Krefeld und nahm sich das Telefonbuch. In der Spyckstraße gab es sieben Jansen mit einem ’s’, nur einen F. Jansen. Fred, das konnte von Alfred kommen – ein Alfred Jansen, ein A. Jansen. Er notierte die Hausnummern und machte sich auf den Weg.
F. Jansens Wohnung war ein finsteres Loch, zwei modrige Zimmer im ersten Stock eines alten Hauses, an dem die Farbe schon vor Jahrzehnten abgeblättert war, Kochplatte auf dem Kühlschrank in der Ecke des Wohnraumes, Toilette eine halbe Etage tiefer.
Toppe hatte den Mann wohl aus dem Tiefschlaf geklopft. Er kam in Boxershorts und einem lappigen T-Shirt zur Tür geschlurft und brauchte eine ganze Weile, bis er kapiert hatte, wer Toppe war und um was es ging, aber dann hielt er sich ganz tapfer.
»Kann ich mitfahren zu meinen Schwiegereltern? Ich will bei meinen Kindern sein.«
Toppe war das ganz recht. »Darf ich mal telefonieren?«
Fred Jansen zeigte auf den Apparat, der neben der Tür hing und verschwand im Schlafzimmer, um sich anzuziehen.
Astrid hatte sich schon gewundert, wo er blieb. »Ich kann dir jetzt nicht viel erzählen«, meinte Toppe leise, »aber es dauert bestimmt noch zwei Stunden.«
»Du weißt, daß du mit Christian verabredet bist?«
»Ach, Mist!« Toppe hatte sich gestern eine ganze Zeit lang mit dem Jungen unterhalten. Das Gespräch war nicht berauschend offen gewesen, aber es konnte ein Anfang sein. Er hatte vorgeschlagen, heute etwas zusammen zu unternehmen, und Christian hatte widerstrebend zugestimmt.
»Paß auf«, schlug Astrid vor. »Ich hab’s eben gelesen, in Holland läuft heute ein Motorradrennen. Was dagegen, wenn ich mit Chris hinfahre?«
»Wenn er das mitmacht.«
Auf der Fahrt nach Rees fing Fred Jansen langsam an zu begreifen. »Mein Gott, die Kinder!« stammelte er immer wieder leise. Toppe sparte sich seine Fragen auf, ließ ihn in Ruhe.
Der Besuch bei Heideroses Eltern traf Toppes schlimmste Befürchtungen. Die Mutter brach mit einem Weinkrampf zusammen, die beiden älteren Kinder hatten einen schweren Schock. Fred Jansen hielt den Kleinsten fest im Arm; der wehrte sich und brüllte immer wieder: »Mama gehen!«
Toppe rief einen Arzt, wartete noch, bis der kam und machte sich schnell
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