Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 2
erschreckt. Er war
blass, und seine Lippen waren bläulich. Sehr beunruhigend, wenn ich das sagen darf.«
»Wer wird seine Arbeit übernehmen?«
»Ich weiß es nicht, aber ich nehme an, da Zirga
erst entscheiden muss, wer kochen wird, wird es ein
wenig dauern, bis das Abendessen fertig ist. Und
noch länger, wenn der, der kochen soll, helfen muss,
Charles zu verbrennen.«
»Danke, dass du mir Bescheid gesagt hast.«
»Gern geschehen.«
Als Will schon gehen wollte, sagte Tal: »Will?«
»Ja?«, fragte Will über die Schulter hinweg.
»Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, erinnere Zirga daran, dass ich kochen kann.«
Will nickte. »Wenn sich die Gelegenheit ergibt,
ja«, sagte er und verließ die Zelle.
Tal lehnte sich zurück. Er fragte sich, ob dies die
Chance sein würde, auf die er gewartet hatte. Er versuchte sich keine zu großen Hoffnungen zu machen
und kehrte zu seinen Meditationen zurück, aber nur
für den Fall, dass es tatsächlich passieren würde, begann er, sich an seinen Kochunterricht bei Leo in
Kendricks Gasthaus zu erinnern.
An diesem Abend gab es nichts zu essen.
Offensichtlich waren nicht viele Gefangene in der
Festung, denn als es am nächsten Morgen auch kein
Frühstück gab, hörte Tal nur wenige Stimmen, die
sich, allerdings lauthals, beschwerten.
Er wartete.
Irgendwann am Vormittag hörte er, wie der Riegel
seiner Zellentür sich bewegte, dann ging die Tür auf.
Will kam herein, gefolgt von Anatoli, einem der beiden Wärter, die Tal am Kai abgeholt hatten, und hinter ihnen kam Zirga.
Tal stand auf.
»Du kannst kochen?«, fragte Zirga.
»Ja«, antwortete Tal.
»Dann komm mit«, sagte Zirga.
Und so verließ Tal seine Zelle zum ersten Mal seit
mehr als einem Jahr.
Er ging die langen Treppen bis zum Erdgeschoss
der Festung hinunter, dann folgte er Zirga und den
anderen durch die alte Haupthalle in die Küche.
Dieser Ort war eine Katastrophe. Jemand hatte
versucht, Haferbrei zu machen, und ihn anbrennen
lassen.
Zirga drehte sich zu Tal um und sagte: »Wir haben
ein Problem.«
»So viel ist offensichtlich«, erwiderte Tal. »Ihr
habt keinen Koch.«
»Ja, und ich habe vierzehn Gefangene, drei Wärter
und mich selbst zu ernähren.«
»Für achtzehn Personen zu kochen ist kein Problem«, erklärte Tal.
»Für dich vielleicht nicht, wenn das, was du sagst,
stimmt. Aber für Anatoli hier ist es eins.«
Der große, kräftige Wärter blickte verlegen auf,
sagte aber nichts.
»Er hat behauptet, er könne sich erinnern, wie seine Mutter Haferbrei gemacht hat, und das Ergebnis
sehen wir vor uns. Also möchte ich lieber gar nicht
wissen, wie er den Eintopf für die Gefangenen oder
das Essen für die Wärter kochen will. Kannst du das
übernehmen?«
»Ja, aber ich brauche Hilfe«, sagte Tal.
»Warum?«
Tal hielt seinen Armstumpf hoch. »Ich könnte
vielleicht in der Küche zurechtkommen, wenn ich
nur für mich selbst kochen müsste. Aber für achtzehn
Leute? Ich brauche Hilfe.«
Zirga dachte einen Augenblick nach, dann sagte
er: »Ich breche die Regeln bereits, indem ich dir erlaube, die Zelle zu verlassen. Sonderfälle dürfen ihre
Zellen eigentlich niemals verlassen.«
»Aber Ihr müsst essen«, sagte Tal. »Und wer wird
es schon erfahren?«
»Ja, das stimmt. Also gut. Diese beiden können dir
helfen.« Er deutete auf Will und Anatoli. »Was wirst
du kochen?«
Tal sagte: »Gebt mir einen Augenblick«, und eilte
zur Speisekammer. Er sah sich rasch um. »Ich werde
einen Eintopf zubereiten. Gibt es hier irgendwo
Fleisch?«
Zirga antwortete: »Im Kühlhaus. Will wird es dir
zeigen.«
Als sich der Kommandant umdrehte, um zu gehen,
sagte Tal: »Aber ich muss zuerst ein Bad nehmen.«
Zirga wandte sich ihm wieder zu. »Ein Bad? Warum?«
Tal hielt die linke Hand direkt vor Zirgas Nase
und zeigte ihm seine Fingernägel, die schwarz vor
Dreck waren. »Wollt Ihr das hier in Eurem Eintopf?«
Zirga warf Tal einen Blick zu. Er schien ihn zum
ersten Mal genauer zu betrachten. Dann schaute er
Will und Anatoli an. »Ihr wascht euch alle drei.«
»Wir brauchen saubere Kleidung«, sagte Tal.
»Die gibt es im Zeughaus. Anatoli wird euch hinbringen.«
Kaum zwei Stunden später stand ein vollkommen
wiederbelebter Tal vor zwei großen Töpfen brodelnder Brühe. Er und die anderen hatten ein kaltes Bad
nehmen müssen, weil nicht genug Zeit gewesen war,
das Wasser zu wärmen, aber das störte Tal nicht. Als
Kind hatte er zum Frühlingsbeginn in den Bächen
der Orosini-Berge gebadet, deren
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