Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 2
selbst lächelte dann nur und sagte:
»Konzentriere dich auf das, was heute vor uns liegt,
Will.«
Wochen vergingen, und ein anderes Schiff traf ein,
diesmal mit Vorräten und einem neuen Koch. Zirga
ging zum Kai, und als er sah, dass Tal in der Küche
nicht mehr gebraucht würde, sank der Kommandant
sichtlich in sich zusammen.
Tal war in der Küche, als man den neuen Koch hereinbrachte. Der Mann sah sich um und sagte: »Das
wird genügen.«
Tal warf Will einen Blick zu, dann setzte er dazu
an zu gehen. Zirga sagte: »Wo willst du hin?«
»Wieder in meine Zelle, Kommandant.«
»Warte eine Minute.« Er wandte sich dem Koch
zu. »Wie heißt du?«
»Royce.« Er war ein untersetzter Mann in mittleren Jahren und sah aus, als hätte er getrunken. Sein
Gesicht war verquollen, die Wangen waren schlaff,
und er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
»Warum bist du hier?«
Der Koch blinzelte wie eine Eule im Laternenlicht.
»Was?«
»Warum bist du hier? Was hast du getan, um aus
deiner letzten Stellung entlassen zu werden?«
»Nun, ich …«
»Lüg mich nicht an!«, schrie Zirga. »Du hast bei
der Arbeit gesoffen, nicht wahr?«
Der Mann senkte den Blick und nickte. »Ja, Sir.
Ich habe in einem Gasthaus, dem Gefallenen Mädchen, gearbeitet und bin eingeschlafen, als ich ein
Lamm am Spieß briet. Das Fett hat angefangen zu
brennen und … na ja, das Gasthaus ist niedergebrannt.«
»Ha!«, sagte Zirga. »Das dachte ich mir.« Er zeigte auf Royce. »Ich habe schon vor vier Jahren einen
neuen Gefängniswärter angefordert. Also wirst du als
Wärter arbeiten.« Er zeigte auf Tal. »Du bist immer
noch Koch, bis sie mir einen schicken, der die Festung nicht niederbrennt.«
Royce wollte widersprechen, doch dann überlegte
er es sich anders und zuckte die Achseln. »Was soll
ich tun?«
»Im Augenblick kannst du hier in der Küche aushelfen. Anatoli, du kommst mit mir.«
Tal lächelte und sagte zu Royce: »Du kannst da
drüben schlafen.« Er zeigte zu dem Raum, den
Charles, der ehemalige Koch, benutzt hatte. »Bring
deine Sachen dort rein. Dann komm zurück und putz
das Gemüse.«
»In Ordnung«, erwiderte Royce, griff nach seinem
Gepäck und ging zur Tür.
Will sagte: »Na ja, er kann als Helfer nicht
schlimmer sein als Anatoli.«
Tal verzog das Gesicht. »Sag das nicht. Ruthia
hört alles.«
Will nickte und machte ein Glückszeichen, weil
Tal die Göttin des Glücks erwähnt hatte.
Die Ankunft von Royce war tatsächlich ein
Glücksfall für Tal. Der Mann war zwar ein Säufer,
kannte sich aber in der Küche gut aus und passte sich
schnell an einen Ablauf an, der Tal viel Zeit ließ.
Tal nutzte diese freie Zeit, um die Insel zu erkunden. Er tat dies in kleinen Abschnitten, und so fand
Zirga ihn eines Tages auf dem alten Exerzierplatz,
wo er sich die Hühner und Schweine ansah. Als der
Kommandant ihn dann einen Monat später bei den
Rindern und Schafen auf der kleinen Wiese antraf,
ignorierte er das ebenfalls.
Als Tals dritter Winter begann, kannte er die Insel so
gut wie die Berge seiner Heimat. Er wusste, wo der
schnellste Weg zum Strand verlief und wo sich Bienen in einem Baum eingenistet hatten. Er räucherte
die Bienen aus, stahl ihren Honig, wie sein Großvater
es ihm beigebracht hatte, und Zirga kümmerte sich
nicht um seine Ausflüge, solange das Essen wunderbar blieb.
Keinem der Wärter schien aufzufallen, dass Tal
zwei Gefangene aus dem Kerker geholt hatte, weil
alle annahmen, dass Zirga es befohlen hatte, und der
Kommandant machte sich nicht die Mühe, die Zellen
zu inspizieren. Soweit Tal sehen konnte, nahm Zirga
so lange an, dass es allen hervorragend ging, bis man
ihn vom Gegenteil unterrichtete.
Tal musste jeden Gefangenen gut kennen lernen.
Er hatte mittlerweile jedem irgendwann einmal persönlich das Essen gebracht. Mit den Informationen,
die Will ihm bereits geliefert hatte, und nach seinen
eigenen Gesprächen mit den Männern entwickelte
Tal eine recht gute Vorstellung davon, wozu sie imstande waren.
Es war eine interessante Mischung, darunter auch
einige politische Gefangene, was Tal eine Kerntruppe aus fünf Männern gab, die einmal Adlige gewesen
waren wie Visniya, Männer, die mit Kaspars Hof und
Olasko vertraut waren. Diese Männer wollte er, falls
irgendwie möglich, sicher nach Hause bringen. Sie
würden bei seiner Rückkehr nach Opardum gute
Verbündete sein, denn sie hatten alle Verwandte und
Freunde, die noch in Freiheit waren.
Die anderen waren
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