Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
nicht von dem Zauber des schwarz gekleideten Magiers geschützt wurden. Jene am Boden oder auf den unteren Plattformen waren wohl in Sicherheit, denn das Feuer hatte nur die obersten Äste erfasst, aber wer immer auf den höheren Plattformen lebte, war zweifellos zum Untergang verurteilt.
Kaspar hatte einmal im Wald von Olasko ein Wipfelfeuer gesehen, als er noch ein Kind gewesen war.
Sein Vater hatte ihn in einem trockenen Jahr mit auf die Jagd genommen, und ein Gewitter hatte oberhalb von ihnen in den Bergen das Feuer entzündet. Der Junge hatte dagestanden und zugesehen, wie die Flammen von Wipfel zu Wipfel sprangen und so schnell dahinrasten wie die Tiere, die unten auf dem Waldboden vor der Feuersbrunst flohen.
Plötzlich wurde er von einem anderen schrecklichen Gefühl getroffen, einer Kälte, die ihm über den Rücken lief und ihn in der Magengrube traf. Ohne nachzudenken, zog er sein Schwert, und alle Eiben drehten sich und sahen sich hektisch um. Etwas war aufgetaucht, das einen Augenblick zuvor noch nicht da gewesen war.
Dann bemerkte Kaspar den Schatten – das flüchtige Abbild der kaum sichtbaren Gestalt eines Mannes, den man nur aus dem Augenwinkel sieht. »Da!«, schrie er und zeigte auf die flackernde Gestalt.
Kaspar sah sich verblüfft um, als elbische Zauberwirker ringsumher zusammenbrachen. Nur der alte Tathar stand noch aufrecht wie eine tief verwurzelte Eiche, und seine Hände bewegten sich durch die Luft, als versuchte er, die Königin zu schützen.
Tomas war mit einem einzigen Schritt an der Seite seiner Gemahlin und hob sie hoch. Er trug sie so mühelos, als wäre sie ein Kind, in die relative Sicherheit ihrer Privatgemächer.
Kaspar drehte sich um und versuchte, einen weiteren Blick auf die Gestalt zu erhaschen, die er gesehen hatte. Er sah nichts.
Mit einer hoch erhobenen Hand zwang Pug die drohenden Flammen zurück, und mit der anderen beschwor er neue Magie herauf. Blendendes blaues Licht ging von seinen Händen aus, und sein Leuchten umriss den gesamten Hof in scharfem Kontrast und warf harsches Licht und schwarze Schatten. In der Mitte des Hofs stand die Silhouette eines Mannes, der ein Schwert in der Hand hielt. Dann waren es zwei. Dann erschien ein dritter.
Pug rief: »Todestänzer!«
Kaspar versuchte zu begreifen, was er da vor sich hatte: Diese Wesen hatten menschliche Gestalt, aber keine Gesichtszüge und keine Tiefe, sie schienen nur bewegte Silhouetten zu sein, wie große Scherenschnitte, die man aus einem so schwarzen Material geschnitten hatte, dass es kein Licht reflektierte.
Kaspar wusste, ohne die Magie, die Pug gewirkt hatte, wären diese Geschöpfe so gut wie unsichtbar gewesen.
Die Eiben handelten rasch. Überall in Elvandar hörte Kaspar Schreie und Rufe und das Klirren von Stahl.
Dann stand ein Todestänzer vor ihm, und der ehemalige Herzog kämpfte um sein Leben. Kaspar hatte noch nie einem so schnellen und entschlossenen Gegner gegenübergestanden. Er parierte, denn er konnte sich nur noch verteidigen. Die Zeit, einen Gegenangriff zu führen, blieb ihm nicht. Er versuchte einfach, am Leben zu bleiben.
Als Tomas zurückkehrte, hatte er ein goldenes Schwert in der Hand. Mit einem mörderischen Schlag traf er die Schulter des Geschöpfs, das Kaspar angegriffen hatte, und es stieß ein dünnes Heulen aus.
Der Todestänzer wandte sich Tomas zu, und Kaspar stieß zu und traf das Geschöpf in den Rücken. Es heulte abermals, schien aber von dem Treffer kaum verlangsamt zu werden.
Dann drängte sich etwas an Kaspar vorbei, und aus dem Augenwinkel sah er zwei weitere Todestänzer, die den Talnoy packten und begannen, ihn wegzutragen.
Kaspar nahm den Ring aus dem Beutel und steckte ihn an seinen Finger. Sofort verspürte er das seltsame Gefühl, das das Tragen des Rings begleitete. Er rannte hinter den fliehenden Todestänzern her, und sobald er die Schulter des Talnoy berührte, befahl er:
»Töte die Todestänzer.«
Kaspar hielt inne, als der Talnoy zum Leben erwachte. Er hob die Beine, die Knie gebeugt, und trat dann nach oben, bis sie fast steil in die Luft wiesen.
Mit einer Bewegung, die einem Menschen die Schulter ausgekugelt hätte, schüttelte er den Griff der beiden Todestänzer ab und schoss hoch in die Luft. Er überschlug und drehte sich, und als er wieder auf den Boden kam, stand er den Feinden gegenüber, das schwarze Schwert in den Händen.
Der Talnoy machte einen Schritt vorwärts. Er bewegte sich mit unmenschlicher Schnelligkeit und
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