Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
meine, daß bei einem solchen Seebär, wie ich mir ihn vorstelle, nicht leicht geistige Duldung vorhanden sein wird. Daß es übrigens der gute Daniel Aston mit seiner Güte und Pfiffigkeit, womit er den Gefühlen in die Schuhe hilft und Freundschaften übereilt, unsäglich gut meine, bin ich vollkommen überzeugt - jedoch bei all den Geschäften, die er sich immer zum Heile der Menschheit auf den Hals ladet und wofür ihm Niemand dankt, tappt er oft zu; es geht ihm, wie mir einst als Knaben, da ich gefangene Schmetterlinge unter Gläser einsperrte, und mit dem besten Rindfleisch fütterte.
    Ehe ich schließe, muß ich Dir noch den Verlauf mit dem kleinen Bilde erzählen. Man hat mich bei Aston dringend gebeten, es zu bringen; ich versprach es auf meinen nächsten Besuch. Da ich nun des andern Tages kam, hielt mich der Diener im Vorzimmer auf und sagte, er müsse Lady Lucia rufen. Sie kam und bat mich mit ihrer eigenthümlich gewinnenden Leutseligkeit, ich möchte ihr das Bildchen einhändigen, sie würde es zu rechter Zeit vorbringen. Wir traten zu Emma und Angela ein, die im Besuchzimmer waren. Sogleich heftete sie ihre großen Augen auf Lucien und sagte: »Nun, zeige nur!« »Liebe Angela, ein wenig später wird es doch besser sein,« meinte Lucie mit bittendem Blicke.
    »Es wird wohl später sein, wie jetzt,« entgegnete Angela; »aber wenn Du es wünschest, will ich warten.«
    Zögernd reichte Lucie das Elfenbein hin, und wie ein Pfeil schoß Angela's Auge darauf und darüber weg auf den Spiegel; dann erblaßte sie - Lucie sah nicht das Bild, sondern die Freundin an, und hütete jeden Zug derselben. Emma flog herbei und den überraschten Lippen entfuhr der leise Ausruf: »Ach Gott, wie treu!« und sogleich sah sie Angela an und ich auch. Wie eine schneeweiße Rose war auch
heute
wieder ihr schönes Haupt; aber nach wenig Augenblicken ward eine purpurrothe daraus, und so stand sie da, zitternd vor innerer Bewegung, die sie sichtlich zu bemeistern strebte. Was das mit dem Bilde bedeuten mag - Gott kann's wissen!
    Ich ging augenblicklich in das Nebenzimmer und sah zum Fenster hinaus. In dem von mir verlassenen Gemache hob nun ein langes Reden und Flüstern an, das ich beinahe hineinhörte; ich wäre gerne fortgegangen, wenn das Zimmer einen Ausgang gehabt hätte; aber endlich wurde ich durch Emma's Stimme gerufen, und ruhig, wie ich sie gewöhnlich sah, bat mich Angela, ihr ein Nachbild dieses Bildes nehmen zu lassen. Mit Hast trug ich ihr das Urbild selber an; sie nahm es nur unter der Bedingung, daß sie mir ein Nachbild davon zustellen lassen dürfe.
    Ich ging es ein; das Bildchen lag indeß verkehrt auf dem Nebentische.
    Gezwungene Gespräche wollten nun anheben; allein ich fühlte, daß ich heute bald gehen müsse, und ich ging.
     

9. Schwarzrothe Königskerze
     
    26. Juni 1834.
    Fast ein Monat, merke ich, ist verflossen, ohne daß ich eine Zeile für Dich aufgesetzt - es ist kein Vergessen auf Dich; aber es war keine Zeit zu dem unerträglich langsamen Schreiben übrig; im Kopfe habe ich Dich mehr als je. Selbst heute kann ich in der Schnelligkeit nur ein paar Worte hersetzen; aber noch diese Woche schieße ich einen eigenen Tag für Dich aus, um Dir Alles zu schreiben. Es war irgend ein Geheimnißvolles oder Schmerzhaftes oder sonst etwas - kurz es war eine seltsame Bewegung im Hause Astons unmittelbar nach jener Zeit, da ich das Bildchen übergeben hatte - man kümmerte sich wenig um mich, sondern hatte mit eigenen Angelegenheiten zu thun - dann war Alles wieder gleich und ruhig - wie ein Schatten war es vorüber, den eine Wolke wirft, die man nicht sieht - mir kann es gleich sein; denn es wurde dann eine heitere, klare, liebe Zeit - ich komme nun, so wie früher
gar nicht
, ebenso jetzt
täglich
in Aston's Haus. - Das Leben des Menschen ist fast, wie man eine Hand umkehrt; es ist dieselbe und doch ganz anders - ein ruhiger Umgang eröffnete sich, ein heiteres Ent gegenkommen, und jetzt sind Verträge gemacht, daß wir Musik machen, lesen und Malerei treiben wollen; es mußte gleich die bestimmte Zeit hiezu vermessen werden; denn es gehört mit zu Angela's Verschrobenheiten, daß sie Alles nach der strengsten Zeiteintheilung thut. Emma, die wieder Alles zeitlos thut, d. h. wie es eben der Augenblick bringt, wollte mit der Pedanterei verschont bleiben, wie sie sagte, und beschloß dabei zu sein oder nicht, wie es eben ihr Inneres füge. Aston, der sonst vielleicht störte, reitet zum Glücke sehr viel;

Weitere Kostenlose Bücher