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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Kastanienschatten, male ich für Sandi Hirsche und Reiter, um einmal ein Kind zu sein und einen rechten Idyllentag herumzubringen.
    Heute schreib' ich nichts mehr, - morgen ein Weiteres.
    Spanne Dir Gott auch einen so glänzenden Sommer über Deine Berge, wie er uns hier thut - ich erlebte nie so andauernd schönes Wetter - und ein Glück ist's für unser einen, daß Wien so liebliche Umgebungen hat. Aber jetzt muß ich fort, ohne Widerrede. Lebe mit Gott.
     

10. Ehrenpreis
     
    27. Juni 1834.
    Um zwölf Uhr in der Nacht kam ich erst zurück und brachte Freude, Sehnsucht, Gedichte, Müdigkeit, Hirsche und Reiter genug nach Hause, Bäume und Häuser obendrein.
    Eben wird Alles geordnet und dann zu Sandi getragen. Der Bube wird mir ordentlich lieb, weil ich ihm eine Freude zudenke, und ich machte weit mehr als ich Anfangs dachte, und konnte ordentlich nicht aufhören, als ich einmal daran war, obwohl alle Kellner zuschauten. Beiläufig, Titus, - es muß eine große Freude sein, Kinder zu haben, und ich würde ein Narr mit ihnen, ritte vergnügt auf einem Steckenpferde und hinge mir allen Ernstes eine Kindertrommel um.
    Es ist heute Sonntag und ich will ihn, wie ich versprach, ganz für Dich ausschießen, und Dir eine Menge aufschreiben und schildern. Sonntag ist hierorts der Tag der Landausflüge, und was in der Woche am Webstuhle des Lebens keuchte, gibt sich am Sonntage der Freude und wo möglich dem Lande hin - und an diesem Tage gilt der Vers in seinem vollen Maße:
Ergo omnis longo solvit se Teucria luctu:
Panduntur portae
: - -
    und aus den
expansis portis
strömt Wien hinaus. So will ich denn auch auf den gestrigen Spaziergang heute wieder einen machen, aber nur ganz allein mit Dir, d. h. ich will ein Stück Wiener-Wald bewohnen und aus der einen oder andern Baumgruppe einen Flug Brieftauben an Dich abfertigen. Ich trage zu solchem Behufe tragbares Schreibgeräthe mit mir, da ich zu artig bin, an Dich mit Bleifeder zu schreiben; zudem muß Alles, was an Dich losfliegt, gewissenhaft in mein hiesiges Tagebuch eingetragen werden.
    Studire Dir nur fleißig den Plan von Wien's Umgebungen, den ich Dir sandte, denn Du wirst noch viele Spaziergänge mit mir thun müssen, ehe Du da bist - und noch mehrere, wenn Du da bist - und es ist der Mühe werth: Stille Thäler, ganz abgeschieden - Waldeinsamkeit mit ganzen Wolken von Vögeln, die den blauen Himmel ansingen - Aussichten in's Hochgebirge - selbst Schluchten mit flinken Wässerlein, als wärest Du in der Wildniß, nicht etwa eine bis zwei Meilen von einer der lebhaftesten Hauptstädte der Welt. Viele, selbst hier Geborne, kennen die eigentlichen Schätze nicht, weil sie nicht weit von den Spazierwegen abgehen, die man ihnen überall bahnt; aber da muß man abseits gehen, wohin der Schwarm nicht kommt: dort ist das Schönste, und ich will Dich schon herumzerren, wenn Du nur einmal da bist; Du weißt, ich habe ein eignes Talent im Auffinden solcher Dinge. Und noch dazu der heurige Sommer, ewig schön, so recht für die Dichter, Maler, Spaziergeher, Weinfreunde.
    Suche auf Deiner Karte Mariabrunn, dann wirst Du finden, daß dort ein Waldgebirge beginnt, das mit dem norischen Alpenzuge zusammenhängt und hier Wienerwald genannt wird. In einem schmalen Thale, welches rechts von dem Dorfe Weidlingau über eine Wiese hineinlauft, sitzt in diesem Augenblicke Dein Freund an einem hölzernen Tischchen in dem schönsten Buchenschatten und schreibt dieses für Dich. Freilich steht neben dem Tintenfasse auch ein Fläschchen Nußberger; denn das Ungeheuer eines Gesellschaftswagens hat uns etwas gerädert, und wenigstens ich muß, wie der barmherzige Samaritaner, auf die zerschlagenen Glieder das Labsal des Weines gießen, und bis jetzt tunkte ich öfter den Zwieback, als die Feder ein. Es geht mir wieder, wie alle Mal, wenn ich unendlich viel zu schreiben weiß, daß ich vor Fülle des Stoffes gar nicht anfangen kann, und mich blätterweise in Unbedeutenheiten umtreibe gleichsam das Köstliche, Labende aufzuschieben, wie einen auserlesenen Nachtisch - und am Ende kommt der Abend oder ein Regen oder ein Besuch, und ich kann das Zuckerwerk nur ruhig in der Tasche lassen. So ging es mir tausend Male.
    Durch meine Buchenzweige, die ein hereinspielender Sonnenstrahl in grünes Feuer setzt, sehe ich auf die dämmernden Farben der Thiergartenwälder; höher hängt in dem Laubwerk das blaue Email des Himmels, in tausend Stücke zerschnitten, wie lauter Vergißmeinnicht. Ein Fink schlägt

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