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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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sah freundlich auf mich, als sie die Worte sagte: »Mir ist nicht unwohl geworden, wie Sie etwa denken können, sondern wie es wohl öfters bei Menschen geschieht, es ist plötzlich ein sehr wichtiges Ereigniß meines Lebens eingetreten, und das hat mir die kindische Erregung gemacht, die Sie gesehen haben.«
    Mir war diese ruhige Aufrichtigkeit bei einer Sache, die jede andere verborgen, ja, gerade unter Unwohlsein verborgen hätte, sonderbar, zum mindesten
neu
; ich blieb daher befangen stehen und sagte kein Wort.
    »Ich werde jetzt fortgehen,« sagte sie nach einem Augenblicke; »aber vorher muß ich Ihnen noch sagen: daß
ich
es gewesen bin, die Sie an dem erhabenen Spiegel gesehen haben - nannten Sie nicht die Beleuchtung eine
Unterweltsbeleuchtung

    »»Ja, ja, ich nannte sie so,«« antwortete ich freudig, als wir bereits im Hinausgehen waren, wo sie sich dann verneigte und wieder zu jener ältlichen Frau ging, bei der ich sie heute schon einmal gesehen hatte. Später als der Tanz aus war, sah ich sie noch einmal hinter einem Vorhange in Luciens Armen und heftig mit ihr reden - dann sah ich sie nicht mehr; denn sie war fortgefahren - nur ein schönes, liebes, süßes Bild schwebte mir im Haupte und im Herzen.
    Also war es doch sie gewesen!
    Welch' schöne Größe und Milde sah ich damals in ihrem Angesichte; wie wahr hatte meine Empfindung geredet! nun ist sie fort; das Rollen ihrer Räder hörte ich herauf; ich hörte es mit dem Herzen; ihr Bild schwebt noch in dem Gewirre, das um mich ist, und ich stehe wie ein Fremder in dem Sausen.
    Gütiger, heiliger Gott! welch' sanftes, schönes Fühlen legtest Du in des Menschen Seele, und wie groß wird sie selbst vor Dir, wenn sie Freude fühlt, in ein fremdes Herz zu schauen und es zu lieben, weil sie weiß, daß dieses Herz schön sein wird. - Dieß nennen sie Unnatur, was wie ein einfach Licht der Engel um ihr Haupt fließt.
    Freilich, weil sie diesen Schein nicht kennen, und sich dafür nur armseligen Modeflitter hinaufstecken.
    Ich ging auch bald nach Hause und schrieb noch bis fünf Uhr; dann legte ich mich erst nieder und sank in ein verworrenes Träumen.
     
     

8. Erdrauch
     
    4. Juni 1834.
    Es greifen immer sonderbarere Menschen in mein Leben - es ist, als sollte ich mit lauter ausländischen Dingen umringt werden. Ich wußte eigentlich bisher gar nie recht, was ein Nabob ist, und weiß es noch nicht; aber doch soll ich mit einem zusammenkommen, und Aston sagt, daß dieß mein Lebensglück gründen werde; - nun, ich bin neugierig - er sagt nicht, wie? - überhaupt muß man mit mir irgend ein Geheimniß haben; ich merke es an Lucien und Emma - aber ich kann es nicht ergreifen - mögen sie immerhin - aber seltsamer Weise, wie man oft vorgefaßte Meinungen über das Aussehen und den Karakter von Menschen hat, die man nie sah, so geht es einem auch oft mit Worten und Begriffen. Dieses »Nabob« ist so ein Wort für mich gewesen seit meiner Kindheit. Ich stellte mir darunter immer einen Mann vor zwischen fünfzig und sechzig Jahren, gut erhalten, braunen Angesichts, ein farbiges Tuch um den Hals, einen Hut mit breiten Krempen, einen lichten, meistens gel ben Rock an - einen Mann, der in irgend einem Indien Pflanzer war, alle seine Neger hindangegeben und nun in Europa viel Gold genießt und grob ist.
    Ist diese Beschreibung falsch, so bitte ich Alle um Verzeihung, die sich dadurch gekränkt fühlen; denn ich kenne keine Schuldefinition eines Nabob - ja, sogar der Name war mir von jeher fast lächerlich.
    Aston sagt, dieser Mann und ich gleichen uns in Launen und Gutherzigkeit, wie ein Wassertropfen dem andern - wäre ich nur diese Zeit her, wie er sich ausdrückte, nicht immer auf so ausschweifend langen Ausflügen gewesen, daß ich unter den hundert Malen, die er ihn zu mir geschleppt, zu treffen gewesen wäre, so könnte bereits Alles in Ordnung sein; aber so habe der Nabob fort gemußt, und Alles schiebe sich auf die lange Bank. Es seien noch ganz andere Dinge dahinter, die er mir nicht sagen dürfe. »Dieser Nabob,« rief er aus, »so ganz vortrefflich er sonst ist, gehört unter die Menschen, die immer voll von Plänen stecken, was mir so verhaßt ist, weil sie auf keinen Rath hören, und einen nichts machen und fügen lassen, wenn es auch sonnenklar besser wäre.«
    Lieber Titus! Wenn der Nabob, wie ihn Aston nennt, etwa so ein Mann ist, der um sein gutes Geld auch ein Mäcenas sein will, so wird das Wohlvernehmen von kurzer Dauer sein; denn ich

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