Feldpostnummer unbekannt
brütende Hitze ihre Macht über ihn verloren. Achim, dachte er voller Hass auf sich, daß er nichts unternehmen konnte. Die Besatzungen der beiden Fahrzeuge waren bestenfalls in britische Gefangenschaft geraten, genausogut aber konnten sie im endlosen Meer der Wüste verdursten.
Thomas Kleebach hatte die Männer einer Nahaufklärerstaffel mit wenig Hoffnung gebeten, nach seinen Leuten Ausschau zu halten. Er wagte nicht auf den Zufall zu setzen, daß sie sie entdecken würden. Und so trieb es ihn in seiner Stellung herum, er war unfähig, zu stehen, zu sitzen oder zu liegen. Wenn er auf die Soldaten seiner Kompanie stieß, riß jegliches Gespräch ab, und der Leutnant wußte nur zu gut, was das zu bedeuten hatte: die anderen hatten seine beiden Besatzungen längst aufgegeben.
»Herr Leutnant«, rief ein Gefreiter atemlos, »hier … eine Meldung vom Fieseler Storch …«
Thomas riß ihm den Zettel aus der Hand. Er verzeichnete eine genaue Position, und von nun an handelte er überlegt, kaltblütig, unter Ausschaltung jeglichen Gefühls. Zwei Kolonnen mit LKWs brausten nach links und rechts los. Sie sollten in der Wüste Schleifen ziehen und soviel Staub wie möglich aufwirbeln. Hinter ihren Fahnen mochte sich ein deutscher Panzerangriff verbergen, und das würde die Engländer zwingen, sich auf sie zu konzentrieren. Bei der ersten Feindberührung sollten sich die LKW-Kolonnen zurückziehen und an anderer Stelle erneut bluffen. Thomas Kleebach selbst raste mit zwei Kübelwagen genau durch die Mitte auf die per Luftmeldung angegebene Stelle zu.
Der Kompaniechef handelte auf eigene Faust, ohne Rücksprache mit der Abteilung. Er hätte diese Maßnahme auch dann getroffen, wenn sein Bruder nicht bei den Vermißten gewesen wäre. Aber darüber machte er sich jetzt keine Gedanken.
Vollgas durch die Wüste. Fahrt nach Kompass. Kein Blick nach links oder nach rechts. Stur gerade durch. Die Navigation leitete Thomas Kleebach selbst. Eine Stunde. Zwei. Schießerei im Hintergrund, wie erwartet. Hoffentlich keine Verluste, dachte er. Glas an den Augen. Geflimmer. Endlosigkeit – und Glück.
Der Leutnant setzte das Glas ab und gab es einem anderen, weil er im ersten Impuls seiner eigenen Wahrnehmung nicht traute. Die Motoren schienen plötzlich noch mehr zu leisten.
Thomas sprang von dem fahrenden Kübelwagen ab, erkannte Trautmann und Achim, die beide ohnmächtig ihre Rettung verschliefen, ließ den zweiten Wagen an die Trümmer des geplatzten Panzerspähwagens hinfahren. Sie bargen die Leiche des Unteroffiziers Ehrlich, die im Explosionsdruck aus dem Wagen geschleudert worden war.
Am Spätnachmittag erreichte er seine Kompanie. Sie hatten nur einen Beute-LKW eingebüßt, der mit Motorschaden stehengeblieben war, und zwei Verwundete, die sich freuten, nach Hause zu kommen.
Die beiden Erschöpften erholten sich schnell. Trautmann fing den lächelnden Blick seines Kompaniechefs auf. Er trank maßvoll, nahm kleine Schlucke und legte freiwillige Pausen dazwischen ein.
»Ruhen Sie sich aus«, sagte Thomas zu ihm. Der Gefreite wollte Meldung erstatten, aber der Kompaniechef winkte ab. »Später«, sagte er.
Er stapfte in sein Zelt. Der Abteilungs-Kommandeur erwartete ihn aufgebracht.
»Was zum Teufel ist denn hier los?« brüllte ihn Major Schreyvogl an.
»Ich habe zwei Vermißte bergen lassen, Herr Major.«
»Und dafür setzen Sie Ihre halbe Kompanie ein?«
»Lediglich Freiwillige, Herr Major …«
»Und ohne mich davon überhaupt zu verständigen?« tobte der Kommandeur weiter.
»Es kam auf jede Minute an«, erwiderte Leutnant Kleebach, »hätte ich meine Leute verrecken lassen sollen?«
»Wir sprechen uns noch«, versetzte Major Schreyvogl giftig, schluckte mühselig seinen Zorn und fuhr ab.
Thomas lächelte ihm gleichgültig nach. Zum erstenmal seit langem hatte ihm heute der Krieg Spaß gemacht. Er spürte die Erleichterung bis in die Fingerspitzen.
Dann meldete sich Trautmann bei ihm.
»Schon wieder auf dem Damm?« fragte der Offizier.
»Jawohl, Herr Leutnant.« Der Gefreite schilderte den Verlauf des Einsatzes.
»Und der Schütze Kleebach?« fragte Thomas lächelnd.
»Hat sich beim Aussteigen den Fuß verknackst«, antwortete Trautmann. Er sagte nicht, wie er Achim mit letzten Kräften mitgeschleppt hatte, aber das sah sein Kompaniechef auch so.
»Und wie war er sonst im Einsatz?« fragte Thomas am Ende.
Der Gefreite lächelte matt. »Naja«, entgegnete er dann zögernd, »er hat noch nicht viel
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