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Feldpostnummer unbekannt

Feldpostnummer unbekannt

Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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erlebt … muß sich erst noch die Hörner abstoßen.«
    »Ohne Sie wäre er jetzt …«, versetzte Thomas Kleebach ernst.
    »Wir haben Glück gehabt«, erwiderte Trautmann abweisend. »Und Sie, Herr Leutnant.«
    Thomas ging auf ihn zu. Sein Gesicht war wach und weich. »Trautmann, haben Sie Post bekommen?« fragte er in seiner persönlichen Art.
    »Ja«, antwortete der Gefreite. In seinen Augen flackerten Spannung und Abwehr.
    »Alles in Ordnung?«
    »Jawohl, Herr Leutnant.«
    »Auch mit Ihrer Mutter?« fragte der Offizier behutsam.
    »Ja«, entgegnete der Gefreite mit dem Gesicht eines schlecht disponierten Clowns, der Possen reißen muß. Als ›Halbarier‹ hatte er auch noch die Pflicht, für ein System zu sterben, das nach seiner jüdischen Mutter griff.
    Ihre Augen begegneten sich, und in diesem einen Blick lag mehr als zwei Männer aussprechen konnten. Kleebach entging nicht, wie das Gesicht Trautmanns zuckte, und er wußte, was in dem Mann vor sich gehen mußte, der einen höllischen Wüstenkrieg durchstand, ohne zu wissen, ob seine Mutter nicht deportiert worden war.
    »Haun Sie sich hin«, sagte Thomas abschließend, »Sie sind bis auf weiteres von jedem Dienst befreit.«
    »Jawohl, Herr Leutnant«, erwiderte der Gefreite automatisch, aber seine Miene war noch zerstreut und brauchte ein paar Sekunden, bis sie wieder bewußte Gegenwart ausdrücken konnte.
    Eine Stunde später meldete sich Achim bei seinem Bruder.
    Thomas lächelte, ohne das Gesicht zu verziehen. »Hier«, sagte er und warf einen Feldpostbrief über den Schreibtisch. »Von zu Hause … lies ihn zuerst …« Er ließ ihn einen Moment mit dem Brief der Mutter allein. Dann kam er zurück.
    »Das ist auch kein Honiglecken bei denen zu Hause …«, sagte der Pimpf.
    Thomas nickte. »Wäre bald ins Auge gegangen, heute …«
    »Halb so schlimm«, antwortete Achim bewußt forsch.
    »Du hast nicht viel dazugelernt«, wies ihn Thomas zurecht.
    »Was eigentlich?« fragte der Junge gereizt.
    »Worauf es ankommt …«
    »Auf den Sieg kommt es an!«
    Thomas Kleebach winkte ab. Er war noch zu dankbar über seines Bruders Rettung, um sich seinem Zorn zu überlassen.
    »Wie viele Einsätze muß man eigentlich bei euch fahren«, fragte Achim schnoddrig, »bis man endlich das EK II bekommt?«
    »Hau dich hin und halt die Klappe!«
    »Bin nicht müde«, versetzte der Pimpf maulig.
    »So …«, erwiderte Thomas gedehnt, »du bist noch frisch … fein, daß du so ausgeruht bist … die anderen sind es nämlich nicht.« Er trat ganz dicht an Achim heran und fuhr fort: »Du nimmst eine Schaufel und bereitest die Beerdigung von Unteroffizier Ehrlich vor …«
    »Jawohl«, entgegnete der Pimpf gemäßigt. Dann schlich er mehr aus dem Zelt, als er ging. Dieser Hund, dachte er grimmig, absichtlich befiehlt er mir das, um mir das Grauen beizubringen … du wirst dich noch wundern, mein lieber Thomas, grausam wirst du dich wundern!
    Aber zunächst war es nur für ihn grausam. Der tote Unteroffizier Ehrlich lag im Sand, von einer Plane bedeckt, und der Pimpf wagte es sekundenlang nicht, sie zu berühren.
    Fast ruckartig schaffte er es dann.
    Der Gefallene bot keinen schönen Anblick. Der rechte Arm war bei der Explosion abgerissen worden, das Gesicht schwarz angelaufen, die Oberlippe verzerrt, so daß die Zähne grinsten. Um ihn herum vollführten Fliegen einen widerlichen Reigen, und Achim stand davor, geschüttelt von Ekel, und einen Moment hatte er Angst, daß er eines Tages genauso aussehen könnte. Er sah das linke, geöffnete Auge, das starr und gebrochen auf ihn gerichtet war wie eine letzte Mahnung, die ihm der Tote noch mitgeben wollte – und jetzt wäre Achim am liebsten davongelaufen, aber er stand da und mußte sich noch bücken, und unter dem zerfetzten Waffenrock die Erkennungsmarke suchen.
    Und in diesem Moment dachte der Pimpf mit geblähtem Hass an Thomas und eine plötzliche Aufwallung gab ihm die Kraft, die Erkennungsmarke in der Mitte auseinanderzubrechen.
    Aber er schloß die Augen dabei. Er hörte Schritte, die näher kamen und stecke die Hälfte des Blechdings mit der Feldpostnummer hastig in die Tasche wie ein gestohlenes Fünfmarkstück.
    »Gib her«, sagte der Kompaniechef, der neben ihn getreten war.
    Achim folgte mechanisch. Leutnant Kleebach betrachtete gleichmütig den Gefallenen. »Einer unserer Besten«, sagte er dann, »sieht nicht gut aus, was?«
    »Nein«, erwiderte der Junge gehetzt.
    Thomas nickte.
    »Ein dummer kleiner

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