Feldpostnummer unbekannt
einem langen Seufzer die Luft ab wie eine rastende Lokomotive den Dampf. »Na, so was …«, brummelte er.
Das stählerne Gefährt war jetzt weit von seinem Kurs abgedrängt und fuhr statt nach hinten nach vorne, tief in die feindliche Wüste hinein, die die Aufrollung der Infanteriestellung in ein wimmelndes Wespennest verwandeln mußte. Der Unteroffizier hatte keinen Zweifel, daß man seinen Wagen wie eine Stecknadel suchen würde. Stecknadeln haben es gut, dachte er, sie können sich im Sand verkriechen, sie trifft keine Pak.
»Wie steht's mit dem Sprit?« fragte Unteroffizier Ehrlich und sah nach dem Anzeiger.
»Könnte noch reichen«, antwortete der Gefreite Trautmann mit temperiertem Optimismus.
»Dann ab nach links!« befahl der Patrouillenführer.
Der Fahrer schnitt ein bedenkliches Gesicht, dann riß er das Steuer herum und ließ seine Schultern ergeben durchhängen. Er wußte so gut wie der Unteroffizier, wie gefährlich der Versuch war, sich jetzt seitlich an den Feindpanzern vorbeizudrücken.
Die Spannung scheuerte auf ihrer Haut. Die Hitze pumpte die letzte Luft aus ihren Lungen. Ihre Zähne waren wie Steine, die aufeinanderknirschten. Winzige Staubteilchen ließen die rotgeränderten Augen tränen.
Noch immer rührte sich nichts. Unteroffizier Ehrlich hielt sich mit beiden Händen an seinem Zwei-Zentimeter-Geschütz fest. Er schaukelte im Takt des Motors mit. Es sah aus, als ob er den Wagen noch anschieben wollte. Trautmann machte einen Katzenbuckel, und Achim, der Junge, hatte wieder Angst, im Stahlkäfig des U-Boots abzusaufen. Gerade als die Spannung wieder in Erschlaffung übergehen wollte, fuhren sie alle drei hoch.
Mündungsblitze am seitlichen Horizont. Vier, fünf. Aufschlag vor dem Wagen, der sich auf die eine Seite hob, zurückfiel und schaukelnd weiterrollte. Splitter im Sand. Treffer am Turm. Vollgas. Neue Blitze.
Heraus aus dem Schlimmsten.
»Armleuchter!« brummte Ehrlich und richtete sich auf, während der Panzerspähwagen in wilder Panik frontal auf die nächste britische Pak zurollte, deren Richtkanonier bessere Nerven hatte.
Bereits der erste Schuß krepierte fünf Meter hinter dem gepanzerten Wagen. Der zweite erfaßte ihn am Turm. Ehrlich wurde mit furchtbarer Kraft auf den Pimpf geworfen. Achim schob ihn von sich weg und richtete sich auf.
Trautmann fuhr, was die Kolben hergaben. Im höllischen Tempo riskierte er Zickzack, und die seltsamen Bocksprünge waren eine Jagd auf Leben und Tod.
Ein Einschlag links hob das leichtgepanzerte Ding auf die eine Seite. Die nächste Detonation riß die Vorderräder vom Boden hoch. Der schwere Kasten bäumte sich auf wie ein stockendes Pferd vor der Hürde.
Der Gefreite Trautmann wich nach links aus, riß in der nächsten Sekunde den Wagen nach rechts, turnte zwischen der raschen Folge der Einschläge herum. Er hatte keine Nerven und viel Instinkt, und seine Flucht vor der tödlichen Pak war so meisterlich wie glückhaft.
Das alles stellte Achim Kleebach erst hinterher fest. Er starrte auf Unteroffizier Ehrlich, dem ein Splitter die Halsschlagader aufgerissen hatte. Er sah, wie mit jedem Stoß des Herzens sich die Khakibluse mit Blut vollsaugte, vor dem ihm ekelte. Er rief fast weinerlich: »Halt an! … Was soll ich?«
Der Fahrer hörte ihn nicht. Er war mit letzter Konzentration dabei, dem Tod von der Schippe zu springen. Als er ein paar hundert Meter geschafft hatte, brüllte er, ohne den Kopf zu wenden, dem Pimpf zu: »Verbind ihn doch!«
»Er verblutet uns«, heulte der Junge schrill. Dann endlich riß er die Verbandspäckchen heraus und wickelte sie dem Sterbenden um den Hals. In Sekunden waren sie durchgeblutet.
»Halt doch an!« röchelte Achim noch einmal verzweifelt.
Die Einschläge der Pak lagen jetzt schon viel zu kurz. Trautmann ging einen Moment mit der Fahrt herunter, betrachtete Ehrlich, dessen Lippen stumm zuckten und dessen Augäpfel verdreht in den Höhlen saßen. »Lass … nichts zu machen …«, sagte er gepreßt.
»Aber wir können doch nicht …«, widersprach Achim.
»Meld's dem Führer«, erwiderte Trautmann sarkastisch und versuchte, den abgestandenen Geschmack im Mund auszuspucken.
Der durchsiebte Wagen rollte noch.
Achim hatte den Arm um den sterbenden Unteroffizier gelegt. Sein letztes Verbandspäckchen war verbraucht. Er sah das Blut des Verwundeten auf seinem eigenen Waffenrock und schob Ehrlich mit gestreckten Armen leicht von sich weg. Er verfolgte den Todeskampf, bemerkte, wie das
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