Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)
Eine neue Welle von Gelächter schallte herüber und sie blickte auf. Charlotte hielt sich an Amandas Schultern fest, beide schüttelten sich vor Lachen.
Felicity wurde vor Elend ganz eng in der Brust. Heiße Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie fühlte sich so fehl am Platz und allein wie noch nie in ihrem ganzen Leben.
Am Rand des Parks stand ein alter Mann und beobachtete sie. Sein Gesicht war faltig und verwittert, aber seine blauen Augen blitzten. Er wirkte betrübt. Als Felicity sich mutlos wieder auf den Weg zur Schule machte, ging plötzlich ein Ruck durch seinen Körper, als hätte er eine Entscheidung getroffen. Er drehte sich um und schritt in Richtung Stadt davon.
Bis zum Nachmittag hatte sich Felicitys Stimmung kein bisschen aufgehellt. Sie saß auf einer Bank in der Turnhalle und empfand nur dumpfen Schrecken. Sie hasste den Sportunterricht, das fing schon mit den kalten, feuchten Umkleidekabinen an. Genauso hasste sie es, im Winter auf schlammigen Spielfeldern herumzurennen, sie hasste es, dass sie immer auf Positionen abgeschoben wurde, die sonst keiner haben wollte. Sie hasste Sport in der Halle und Waldlauf im Regen. Aber am meisten hasste sie es, frierend in der Kälte zu stehen, wenn die Mannschaften gewählt wurden, und immer die zu sein, die am Ende übrig blieb.
»Können wir anfangen?«, rief die Sportlehrerin dröhnend. Mrs Watson war nicht nur schwerer als ihre Kolleginnen, sondern auch größer, breiter und irgendwie … kompakter. Als sie hereinkam, war unter den Mädchen der Klasse eine hitzige Diskussion im Gange gewesen. Jetzt wandte sich eines von ihnen an die Lehrerin:
»Charlotte will beim Wettsegeln gegen die Mädchen von der Whale Chine am Sonntag nicht mitmachen.«
»Ich kann nicht«, verteidigte sich Charlotte, genau die Charlotte Chiverton, die am Morgen dabei gewesen war, als Felicity so gedemütigt worden war. »Meine Mutter hat nur dieses Wochenende Zeit, mit mir shoppen zu gehen, und ich hab einfach nichts mehr zum Anziehen.«
Felicity hörte nur mit einem Ohr zu, während sie sich die hässlichen Sportsocken überstreifte, die zum Schultrikot gehörten. Die Dinger waren von einem Blau, das einem richtig in den Augen wehtat. Sie konnte sich nur schwer vorstellen, wie man sich darauf freuen konnte, einkaufen zu gehen. Ihre Mutter war eine treue Kundin von Dereham, einem muffigen kleinen Laden, wo man zum Thema Mädchenmode ziemlich nüchterne Ansichten hatte. Mrs Dereham fand, dass Kleidung vor allem zweckmäßig sein sollte.
»Gallant«, sagte Mrs Watson. »Gallant kann für Chiverton einspringen.«
Felicity erstarrte vor Schreck. Sie war noch nie gesegelt. Noch nie hatte sie einen Fuß auf die Planken eines Boots gesetzt.
»Gallant?«, heulte eines der Mädchen empört auf und sofort schloss sich ein ganzer Chor von erbosten Stimmen ihrem Protest an.
»Es spricht doch überhaupt nichts dagegen«, sagte Mrs Watson. »Ich frage mich, warum mir das nicht früher eingefallen ist. Wahrscheinlich fährst du mit deinen Eltern ständig raus.«
Einen Moment lang stellte sich Felicity vor, wie ihre Eltern ein Boot auf offener See zu steuern versuchten, und sie unterdrückte ein Kichern. »Ich wäre keine große Hilfe für das Team«, sagte sie. »Kann nicht jemand anders Charlotte vertreten?«
»Es wird dir gefallen«, antwortete Mrs Watson. »Vielleicht ist es ein bisschen unter deinem Niveau, aber die frische Luft wird dir guttun. Die Taktik besprechen wir am Freitag im Club. Vier Uhr, seid pünktlich.«
»Unter ihrem Niveau!« Eins der Mädchen schnaubte verächtlich.
»Felicity kann überhaupt nicht segeln«, stöhnte eine andere.
»Die ist doch in jedem Sport eine Niete«, sagte eine Dritte.
Das tat weh, aber Felicity nickte ernst. »Es stimmt schon«, sagte sie. »Ich kann das nicht.«
Zum ersten Mal überhaupt sah sie in Mrs Watsons Gesicht so etwas wie Erstaunen. »Du kannst es nicht?«, murmelte die Lehrerin. »Felicity Gallant kann nicht segeln? Nicht zu fassen.«
Felicity ärgerte sich jetzt doch ein bisschen. Was für ein Getue! Als ob es nicht jede Menge Leute gäbe, die nicht segeln konnten.
»Na ja, es wird schon gehen«, fuhr Mrs Watson fort. Die Klasse stöhnte frustriert.
»Meinen Sie wirklich?« Es war noch nie vorgekommen, dass Felicity die Schule bei einem sportlichen Wettkampf vertreten sollte.
»Klar«, sagte Mrs Watson. »So wie es aussieht, wird der Wind auffrischen; da kann es nicht schaden, ein bisschen zusätzliches Gewicht im
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