Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)
schockiert, weil ich dich so hintergangen habe.«
Felicity wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Ich kann es dir nicht erklären, aber glaub mir bitte, dass meine Liebe zu dir echt ist – was immer du sonst von mir denken magst.«
Felicity schluckte verlegen. Das wusste sie natürlich. Wie konnte Alice daran zweifeln?
Alice schritt auf die Herrin zu. »Du bekommst dieses Baby nicht«, sagte sie. »Ich werde das nicht zulassen.«
»Was mischst du dich da ein?«, schrie die Herrin. »Du hast mir gar nichts zu befehlen.«
Alice ging nicht darauf ein. »Ich weiß, was du getan hast«, sagte sie. »Ich weiß, was mit unseren Schwestern passiert ist.«
Keine von all den schockierenden Wahrheiten, denen die Herrin an diesem Tag schon ins Gesicht hatte sehen müssen, erschütterte sie so tief wie diese. Sie starrte ihre Schwester entsetzt an.
»Du musst jetzt mitkommen«, sagte Alice.
»Ich denke ja gar nicht daran«, schrie die Herrin und bemühte sich verzweifelt, ihre Fassung wiederzugewinnen.
Alice streckte ihr voller Mitleid und Liebe die Hand hin. » Das ist das Ende der Geschichte, Aura«, sagte sie.
Außer sich vor Zorn und Frustration, gab die Herrin ein kehliges Kreischen von sich, ein glühend heißer Wind fuhr den Umstehenden in die Gesichter. Mit einer unglaublich schnellen Bewegung entriss sie Miranda das Baby. Felicity schrie entsetzt auf. Das Ungeheuer riss sein Maul auf, voller Gier nach dem Blut des Säuglings.
Danach ging alles so rasend schnell, dass Felicity es gar nicht richtig mitbekam. Sie sah nur, dass Alice, in einer Hand immer noch die Sturmmaschine, mit der Herrin kämpfte. Die beiden Schwestern waren ein ungleiches Paar: das grauenhafte Wesen, dessen Haut so schwarz war wie seine Seele, und die zierliche alte Dame mit den rosa Bäckchen, die ganz erstaunliche Körperkräfte entwickelte.
Dann erst wurde Felicity bewusst, dass sie ihre kleine Schwester im Arm hielt. Die Welt blieb stehen. Das kleine Geschöpf war so vollkommen. Der rosa Mund unter dem stumpfen Näschen war etwas geöffnet und aus den blauen Augen schien Weisheit zu sprechen. Felicity war überwältigt vor Liebe – das hätte sie nie für möglich gehalten.
Dann zerriss eine ungeheure Explosion die Luft. Die Wucht der Druckwelle, die übers Deck fegte, warf alles um, was ihr im Weg stand. Felicity wurde auf den Boden geschleudert, Henry warf sich über sie und das Baby, um die beiden zu schützen.
Das Schiff stampfte und krängte heftig. Alles, was nicht festgezurrt war, flog oder rollte über Bord. Die Spieren in der Takelage knallten gegeneinander, Holzsplitter regneten herab. Felicity umklammerte das Baby und Henry mit geschlossenen Augen.
Schließlich ließ der Seegang nach und die Sturmwolke schaukelte nicht mehr so wild. Felicity öffnete die Augen. Das Deck bot ein Bild der Verwüstung. Von der Herrin keine Spur, sie war weg.
Felicity sah sich um: Da war Henry und sie entdeckte Poppy und ihren Vater auf der anderen Seite des Decks; den beiden schien es gut zu gehen.
Und dann traf sie die Erkenntnis wie ein Blitz: »Alice«, schrie sie verzweifelt. Sie lief mit dem Baby im Arm übers Deck, aber ihre alte Freundin war nirgends zu finden.
Henry legte ihr die Hand auf die Schulter. »Sie war zu nahe dran«, sagte er bedrückt. »Irgendwie hat sie diese Explosion ausgelöst. Das kann sie nicht überlebt haben.«
Felicity konnte es einfach nicht fassen, dass sie Alice verloren haben sollte. »Das darf nicht sein!«, schrie sie. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie rannte zur Reling und suchte das Meer ab. Henry versuchte sie zu trösten, aber sie stieß ihn zurück. »Das darf nicht sein«, schluchzte sie immer wieder.
Henry nahm sie in den Arm, er hielt sie und das Baby ganz fest. Felicity weinte, die Tränen brannten auf ihrem Gesicht und sie bekam kaum noch Luft. »Das ist doch nicht möglich«, rief sie heiser. Henry streichelte ihr übers Haar, während das Baby leise wimmerte und mit den Beinchen zappelte.
Abednego ging zu ihr und legte ihr das Auge des Sturms in die Hand. »Ich glaube nicht, dass Alice tot ist«, sagte er.
Felicity blickte auf. Ein Gefühl tief in ihrem Inneren sagte ihr, dass er recht hatte. »Warum haben Sie mir das damals am Strand gegeben?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht so genau«, antwortete er. »Vielleicht wollte ich anfangen, die schrecklichen Taten wiedergutzumachen, die ich im Dienst der Herrin begangen hatte.«
Felicity drehte die Kugel in ihrer Hand. »Die Ruhe,
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