Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)
eingetreten«, sagte Felicity nach einer Weile.
Die Augen des Zollbeamten wurden weit und er sank in sich zusammen. Seine Pupillen waren unnatürlich groß. »Wieso tue ich so, als ließe mich das alles kalt? So bin ich doch gar nicht«, sagte er leise.
Felicity zuckte zusammen. Genau das hatte sie gerade gedacht.
Jasper wirkte verwirrt. »Jeb Tempest?«, fragte er. »Aber was ist mit Henry?«
Felicity bemühte sich krampfhaft, an
nichts
zu denken, was natürlich nicht klappte.
Jaspers Gesicht wurde bleich, dann grünlich, er gab würgende Laute von sich. Er schloss die Augen, öffnete sie aber sofort wieder, ohne Zweifel, weil er merkte, dass die Übelkeit so nur noch schlimmer wurde.
»Es ist bestimmt gleich vorbei«, sagte Felicity und legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. Und tatsächlich dauerte es nicht lang, bis er sich erholte.
Jasper stand auf. »Du hast recht, der Blutstein ist hier.« Er grinste.
»Bin ich froh, dass wir ihn gefunden haben.« Felicity strahlte übers ganze Gesicht. Aber dann wurde sie ernst. »Wir müssen ihn in Sicherheit bringen, bevor Povl Usage ihn sich schnappt.«
»Ich kann runterspringen, aber irgendwie muss ich auch wieder rausklettern«, sagte Jasper. »Hat dein Großvater hier vielleicht irgendwo ein Seil?«
»Bestimmt. In den Stallgebäuden findet sich sicher eines.«
»Gut, ich schaue nach.« Jasper ging los. Die alten Pferdeställe lagen auf der anderen Seite des Hauses.
Felicity setzte sich auch in Bewegung, aber Jasper hielt sie zurück. »Wir sollten den Stein nicht unbewacht lassen. Bleib du hier.«
Felicity runzelte die Stirn, aber sie sah ein, dass er recht hatte: Es war besser, das Versteck des Blutsteins im Auge zu behalten.
»Ich bin gleich wieder da«, rief Jasper ihr über die Schulter zu, bevor er um die Ecke des Hauses bog und verschwand.
Siebzehntes Kapitel
F elicity war angespannt und nervös. Sie ging eine Weile im Garten auf und ab, sah sich die verschiedenen Sträucher an, die an der Mauer wuchsen, und setzte sich schließlich auf eine Beeteinfassung. Der Schnee begann schon wieder zu schmelzen und die Erde roch feucht und frisch.
Dann hörte Felicity plötzlich ein Geräusch und erstarrte: Vom Brunnenschacht her drangen gedämpftes Knirschen von Steinen und ein sonderbar klagender Singsang.
Vorsichtig schlich sie zu der dunklen Öffnung und lugte hinein. Der Lichtstrahl einer Taschenlampe huschte suchend im Dunkeln umher. In dem Schein war weißes Haar zu sehen, in dem hie und da Schlammspritzer und lose Erde klebten. Ein rundes, helles Gesicht schaute nach oben.
Povl Usage.
Felicity wurde bleich.
»Hallo, Felicity«, sagte er. Ganz unverkennbar genoss er es, sie so erschrocken zu sehen.
»Sie sind wieder da«, flüsterte sie schockiert. Natürlich – sie würden
niemals
vor ihm Ruhe haben.
»Meine Herrin hat es fast geschafft, und ich bin gekommen, um ihr Herz zu holen.« Povl Usage grinste tückisch.
Felicity fuhr hoch, sah sich panisch um, ob nicht irgendjemand in der Nähe war, der ihr helfen konnte. Ihr war ganz übel vor Angst. Dieser Irre war drauf und dran, ihnen kurz vor dem Ziel noch in die Quere zu kommen.
»Soll ich zu dir raufkommen?«, fragte er. Sie wich unwillkürlich zurück, obwohl sie wusste, dass es eine leere Drohung war. Der Brunnenschacht war zwar nicht so schrecklich tief, trotzdem würde niemand an der glitschigen Wandung nach oben klettern können. Es musste da einen Tunnel geben, durch den Povl Usage gekommen war und durch den er nach getaner Arbeit wieder verschwinden wollte.
»Jasper!«, schrie sie so laut sie konnte, aber sie machte sich wenig Hoffnung. Die Ställe lagen auf der anderen Seite des Hauses, Jasper würde sie nicht hören. Und wenn sie hinüberrannte, um ihn zu holen, schnappte sich Povl Usage den Blutstein und machte sich mit seiner Beute davon.
»Wenn dein Freund kommt, bin ich längst weg.« Er lachte siegessicher. »Und dann werden meine Herrin und ich uns an der Welt rächen.«
Felicity wurde es eng in der Brust, sie ballte hilflos die Fäuste. Wütend warf sie einen Stein in den Brunnen. Die Antwort kam prompt: Aus dem Dunkel sauste ein Kiesel knapp an ihrem Kopf vorbei. Sie zuckte zusammen.
»Jasper«, schrie sie heiser.
Von Jasper keine Spur.
Sie starrte in den Schacht hinab. So grauenhaft ihr die Vorstellung auch war, sie musste hinuntersteigen, um Povl Usage aufzuhalten.
»Ja, genau, komm runter«, sagte der Lehrer mit höhnischem Grinsen, als hätte er ihre
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