Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
bremste.
»Gehen wir jedoch weiter davon aus, daß sie
wirklich die tödliche Bekanntschaft eines so seltsamen Fahrzeugs gemacht hat.
Folglich wurde sie nach dem Aufprall hoch durch die Luft direkt auf den Largo
Argentina geschleudert, oder sie konnte sich noch bis zu dieser Stelle
schleppen, wo sie schließlich verblutete. Wo aber ist dann, bitteschön, das
ganze Blut geblieben? Ich sehe hier weit und breit kein Blut. Die Leiche wirkt
vollkommen ausgeblutet. Das Gleiche gilt auch für die Rauferei-Theorie: kein
Blut, nirgends, keine im Laufe des Kampfes herausgerissenen Haarbüschel, keine
Urinspritzer, die unsereinem in Angst- und Streßsituationen abgehen.
Außerdem ist es unwahrscheinlich, daß ein
Artgenosse imstande sein könnte, eine Wunde solchen Umfangs mit bloßen Zähnen
und Krallen zu verursachen, selbst wenn er sich in höchster Rage befindet. Wie
wir sehen, fehlt dem Opfer ein nicht unwesentlicher Teil der Schädelpartie.
Abgesehen davon, daß den siestahaltenden Kollegen
hier eine derart brutale Auseinandersetzung kaum verborgen geblieben wäre.«
»Also ist der assassino doch ein Verrückter, ein
durchgeknallter Mensch?«
Antonio ließ sich auf die Hinterbeine sinken und
nahm eine grüblerische Pose ein. All sein Dandy-Getue war mit einem Mal wie
weggeblasen.
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Spricht nicht viel
dafür. Ein Mensch, der in diesem von jedem Winkel aus einsehbaren Areal eine
Tierleiche ablegt oder sie über die Absperrgitter herunterwirft, wäre sofort
aufgefallen. Es sei denn, er ist hier beschäftigt, und hat die Sache während
seiner Arbeit klammheimlich nebenbei erledigt. Wann wurde die Tote überhaupt
entdeckt?«
»Am späten Nachmittag, etwa eine halbe Stunde,
bevor du gekommen bist.«
»Also hat sie jemand still und leise auf den
Steinen deponiert, während alle anderen schliefen. Doch wo kam der Unbekannte
her?«
Und schon steckte ich wieder bis über beide Ohren
in dem blutigen Rätselsumpf, um den ich noch vor ein paar Minuten einen großen
Bogen hatte machen wollen. Das Erschreckendste dabei war: Ich fühlte mich in
dem Sumpf auch noch pudelwohl! Am liebsten hätte ich mir mit meinen eigenen
Krallen das Gesicht zerkratzt. Und gleich darauf Antonios, weil dieser feine
Signore es auf famose Art verstanden hatte, an den richtigen Knöpfen der
primitiven Konstruktion namens Francis zu drehen, um das altbekannte Programm
starten zu lassen.
Mein Blick schweifte über die gesamte Anlage auf
der Suche nach einer Inspiration oder noch besser einem vernünftigen Beweis,
der meine Hypothese mit Sinn füllte.
Schließlich verharrte er an den im Dunkeln kaum zu
erkennenden großen Eisentoren und Rundbögen entlang des inneren Mauerkarrees.
Es schien sich um Eingänge zu Räumen unterhalb der Straßen zu handeln. Ich deutete
mit der Schnauze dorthin.
»Was befindet sich in diesen Kammern?«
»Kleine Schätze der Archäologen und ihre
Werkzeuge«, entgegnete Antonio.
»Und wo führen sie hin?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Überall und nirgendwohin. Aber ich weiß, worauf du
hinauswillst. Du fragst dich, ob diese Räume eine Verbindung zum Gedärm der
Stadt besitzen. Da könntest du goldrichtig liegen. Roms Untergrund ist in der
Tat ziemlich durchlöchert, Francis. Überall gibt es Katakomben und fast
monatlich werden neue entdeckt.
Insgesamt sollen sie eine Länge von hundertfünfzig
Kilometern haben. Es existieren nicht nur christliche, sondern auch gnostische,
ja sogar jüdische Katakomben.
Du befindest dich in einer Stadt, die aus vielen
übereinander gelagerten Städten besteht. Sie ist ein Moloch, ein Zeugnis
großartiger Unordnung. Rein theoretisch könnten irgendwelche Korridore zu
diesen Kammern führen, doch meines Wissens sind sie für Menschen verschlossen.«
»Vielleicht aber nicht für unsereinen. Ich meine,
es wäre doch möglich, daß ein besonders orts- und geschichtskundiger Artgenosse
irgendwelche unentdeckten Gänge und für das menschliche Auge leicht zu
übersehende unscheinbare Öffnungen kennt. Durch die könnte er die Leiche, wie
ein Junges am Nacken tragend, zunächst in diese Arbeitsräume und dann hier auf
den offenen Platz gelangt sein.«
»Non capisco«, sagte Giovanni und gab ein
unbehagliches Brummen von sich. Offenkundig hatte er sich mittlerweile von
seiner Degradierung prächtig erholt.
»Gerade eben hast du gesagt, daß wir nicht imstande
wären, so große Wunden herbeizuführen. Und nun soll unser edles Geschlecht doch
für diese
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