Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
Greueltaten schon gehört. Deshalb
bestärkte sie mich darin, den Fall so schnell wie möglich aufzuklären, und bot
mir alle ihr zur Verfügung stehende Hilfe an.
Vorerst jedoch mußte diese Hilfe in der Gewährung
einer Schlafstatt bestehen, denn sowohl ich als auch Antonio waren nun am Ende
unserer Kräfte. Samantha führte uns über die Treppe zum zweiten Stockwerk des
Palazzos, wo wir ungestört würden schlafen können.
Unterwegs streiften wir an einem weiteren Salon
vorbei, in dem sich der Hausherr aufhielt. Der greise Mann mit schulterlangem
schlohweißem Haar und in braunem Hausmantel saß in einem Ledersessel, schwenkte
in der Hand ein volles Rotweinglas und rauchte eine fette Zigarre. Er war
umgeben von zahlreichen Kandelabern mit brennenden Kerzen, die seine Ahnen an
den Wänden beleuchteten. Er nippte sparsam an seinem Rotwein und lächelte in
sich hinein. Ein alter Plattenspieler auf einer antiken Kommode lieferte ihm
mit La Traviata die passende Musik zu seiner vom Glanz verflossener Tage
zehrenden Stimmung.
Wir trabten ein Stockwerk höher, durchquerten
dunkle Korridore und betraten schließlich ein Zimmer, in dem sich Samtkissen,
Kratzbäume und mannigfaltiges Spielzeug für unsere Art befanden. Mit einem
Wort, Samanthas in güldener Ahnenzeit versunkener Dosenöffner tat mehr als das
Menschenmögliche, damit es seinem Haustier gutging.
Ich kann mich nicht mehr daran entsinnen, wie
Antonio und ich uns auf die Kissen sinken ließen und dann wegdämmerten. Doch ob
bloße Einbildung oder wirkliche Erinnerung, bevor ich das Traumland betrat,
glaubte ich noch Samanthas Gesicht über mir zu sehen. Es strahlte zunächst die
gewohnte Güte aus, doch bevor mir die Augenlider zuklappten, nahm es abrupt
eine seltsame Härte an.
Im Traumland ging es nicht weniger seltsam zu. Ich
befand mich wieder im Flugzeug, wieder in Richtung Rom. Das Drollige war, daß
ich wie ein Mensch aufrecht auf meinem Hintern saß. Ich war sogar angeschnallt!
Die Maschine war menschenleer, und das Sonnenlicht über dem flockigen
Wolkenteppich flutete durch die Bordfenster in solcher Intensität hinein, daß
mir selbst bei zusammengekniffenen Lidern die Augen schmerzten. Aus den
Lautsprechern rieselte leise La Traviata , kratzig und gelegentlich von
Sprüngen unterbrochen.
Plötzlich tauchte Gustav neben mir auf. Er war
unterwegs zur Toilette, und stapfte wie ein Zirkusbär täppisch an mir vorbei.
Als er mich entdeckte, lächelte er sein einfältiges Lächeln.
»Ich habe zu Hause auch einen von deiner Sorte!«
sagte er, zwinkerte mir zu und zog weiter.
Als ich nach rechts schaute, stellte ich fest, daß
sich außer Gustav noch ein anderer Mensch im Passagierraum befand. Auf dem
Nachbarsitz saß Antonios ehemaliges Herrchen. Obwohl ich ihn noch nie vorher
gesehen hatte, erkannte ich ihn auf Anhieb. Er trug einen pastellfarbenen
Disco-Anzug aus den Siebzigern mit weitem Revers und Schlaghosen. Das halb
aufgeknöpfte Hemd entblößte eine haarige Brust, über der ein silbernes Kruzifix
baumelte.
Irgendwo hatte ich das schon gesehen. Die Rolex am
Handgelenk, die goldenen Manschettenknöpfe und eine große dunkle Sonnenbrille,
die keinerlei Blick auf die sich dahinter verbergenden Augen zuließ,
vollendeten das Bild des römischen Machos.
Der makellos gebräunte Mann hielt in der einen Hand
eine dicke Zigarre, mit der anderen nippte er an einem Rotweinglas. Dabei
lächelte er abwesend in sich hinein, als sei er nicht nur über den Wolken,
sondern über allem Irdischen. Sukzessive baute sich eine innere Unruhe in mir
auf. Sehr bald wußte ich auch, warum.
Mein Blick schweifte an meinem Sitznachbarn vorbei,
zoomte sich quasi durch das Bordfenster hinaus und gelangte nach draußen. Wir
waren jetzt im Landeanflug; ich konnte schon viele Details erkennen. Doch mit
Bestürzung gewahrte ich, daß wir weder Rom noch eine andere italienische Stadt
ansteuerten. Gewiß, auch hier war alles von Sonne überstrahlt. Aber anstelle
von südlichen Gefilden rasten wir jetzt einer sich bis zum Horizont
erstreckenden Skyline-Landschaft entgegen. Wie ein kunstvolles Arrangement
ungezählter Bauklötze wuchs das Hochhäusermeer eindrucksvoll in den stahlblauen
Himmel empor. Obgleich die Gebäude dicht an dicht lagen, schien jedes einzelne
ein charakteristisches Gesicht zu besitzen. Meine anfängliche Bestürzung
verwandelte sich in nacktes Grauen.
Ich sah mich gefangen in einem milliardenfach um
die Welt gegangenen Alptraumszenario, das mit
Weitere Kostenlose Bücher